Buchmacher in Großbritannien Wetten, der Brexit kommt ohne Deal – oder gar nicht?

London · Am Dienstag stimmt das britische Parlament über den EU-Austrittsvertrag ab. Die Buchmacher sind sich ziemlich sicher, wie das Ergebnis aussehen wird

 Die Briten wetten so ziemlich auf alles, und vielleicht liegt es an der Zockermentalität, dass die Buchmacher lange Zeit verlässlicher in die Zukunft blickten als professionelle Meinungsforscher. Sie sind beinahe zu so etwas wie nationalen Wahrsagern aufgestiegen. Doch dann kam das Brexit-Votum beim Referendum 2016 und der Wahlsieg von Donald Trump in den USA. Beide Male lagen die Buchmacher daneben, verloren Millionen Pfund. Die Branche fiel in Schockstarre – zumindest kurzfristig.

Inzwischen haben sie ihre Methode geändert, schauen genauer auf die Anzahl der individuell abgegebenen Wetten und darauf, aus welcher Region diese stammen, anstatt lediglich die Gesamtsumme zu betrachten, wie Rupert Adams, Sprecher des Anbieters William Hill, verrät. Dementsprechend sicher ist er, dass die Prognosen wieder stimmen und Premierministerin Theresa May am Dienstag die Abstimmung über das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen haushoch verliert.

Mehr noch: Die Chance, dass es bis zum Scheidungstag am 29. März keinen Deal gibt, stünde bei 73 Prozent. Und damit deutlich höher als jene für ein zweites Referendum. Hill zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit auf eine erneute Volksabstimmung bei nur 42 Prozent. „Wir glauben, dass der nächste Dienstag für Theresa May ein katastrophaler Tag wird“, so Adams. Überhaupt werde es „kein sehr fröhliches Jahr“ für die Premierministerin. Die „Bookies“ reden von einer 77-prozentigen Chance, dass die Regierungschefin 2019 aus der Downing Street ausziehen wird. „Bei den Wählern hat sie ihre Glaubwürdigkeit verloren.“ Als aussichtsreichste Kandidaten für die Nachfolge gelten der Oppositionschef von Labour, Jeremy Corbyn, dann der europaskeptische Ex-Außenminister Boris Johnson, auf dem dritten Platz liegt der derzeitige Vize-Premier David Lidington.

Warum aber gelten Zocker mittlerweile als gutes Orakel? „Beim Wetten lässt man sich nicht von der tagesaktuellen Stimmung leiten, sondern überlegt rationaler, wie das Ganze tatsächlich ausgehen wird“, sagt Adams. Gleichzeitig warteten die Zocker meist bis zur letzten Minute, die letzten 24 Stunden seien entscheidend. Nachdem das EU-Referendum 2016 das größte politische Wettereignis im Königreich war, könnte das Votum nächste Woche zumindest auf den zweiten Platz im Ranking vorrücken. Dabei zählen politische Wetten noch immer zu einem Nischenmarkt. Nicht nur, weil kaum Menschen in den Büros ihre Wetten abgeben, sondern vor allem online tippen. Es finden auch deutlich weniger Ereignisse statt. Zudem unterscheidet sich die Herangehensweise der Zocker: „Die Menschen nehmen politische Events ernst.“

Wenn am Dienstag die Abgeordneten über den Deal abstimmen, lohnt ein Blick auf die Details. Dem Anbieter William Hill zufolge werden 237 Abgeordnete oder weniger für das Abkommen votieren. Wetten?

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort