Brüssel beschließt das Aus für kleine Parteien

Brüssel/Saarbrücken · Bei der Europawahl 2014 hatten kleine Parteien in Deutschland leichtes Spiel. Durch den Wegfall der Drei-Prozent-Hürde schafften es viele Kandidaten ins EU-Parlament. Das soll sich nun ändern, wie gestern bekannt wurde.

Eigentlich steht die nächste Europawahl erst im Jahr 2019 an. Doch für einige Abgeordnete kleinerer Parteien wie Freie Wähler , Familien- oder Tierpartei, Piraten oder der Spaßpartei "Die Partei" zeichnet sich schon jetzt ab: Die Reise nach Europa ist in vier Jahren zu Ende. Am späten Montagabend hat der Verfassungsausschuss der europäischen Volksvertretung die Wiedereinführung einer Drei- oder Fünf-Prozent-Hürde beschlossen. Die war 2014 vom Bundesverfassungsgericht gestoppt worden. "Wir wollen damit die Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlamentes sicherstellen, die bei zu vielen Mini-Parteien ernsthaft gefährdet ist", erklärte der EU-Parlamentarier Jo Leinen (SPD ), der als Co-Berichterstatter den Gesetzentwurf mit ausgearbeitet hat.

"Mit dem Vorstoß versuchen die Altparteien den eindeutigen Richterspruch aus Karlsruhe aushebeln", hatte Ulrike Müller, Europa-Abgeordnete der Freien Wähler, den Vorstoß früh abgelehnt. Dabei geht es gar nicht so sehr um den Quasi-Rauswurf der Splitterparteien, zu denen aus Deutschland sieben Gruppierungen gehören, die mit je einem Mandatsträger in Straßburg vertreten sind.

Zwischen den EU-Mitgliedstaaten gibt es erhebliche Unterschiede bei den Stimmgewichtungen. So stehen Dänemark zum Beispiel 13 der insgesamt 751 Sitze zu. Mangels einer gesetzlichen Sperrklausel muss eine Partei rein rechnerisch wegen der geringen Zahl der Sitze aber mindestens acht Prozent der Stimmen erreichen um ein Mandat zu gewinnen. In Estland, Luxemburg, Malta und Zypern sind sogar 17 Prozent nötig, während in Deutschland und Schweden kaum mehr als 0,6 Prozent nötig waren, um einen Vertreter ins EU-Parlament zu entsenden. Profitiert hat von dieser Regelung der Saarländer Stefan Bernhard Eck, der für die Tierschutzpartei ins Parlament einzog. Mittlerweile ist er ausgetreten, hat aber weiter ein Mandat. Opfer des Wegfalls der Mindestklausel war die CDU-Politikerin Helma Kuhn-Theis, die es über die Landesliste nicht nach Straßburg schaffte. Mit Sperrklauseln in den großen Staaten könnten die Verhältnisse wenigstens etwas angeglichen werden.

Außerdem soll die Wahl künftig in allen Mitgliedstaaten an einem Sonntag stattfinden, die Wahllokale müssen bis 21 Uhr geöffnet bleiben. "Wir sorgen für gleiche Bedingungen, indem wir die Mindestschwelle verbindlich auf alle Mitgliedstaaten ausdehnen", sagte Leinen.

Zu den weiteren Neuerungen, die schon ab 2019 gelten könnten, zählen auch Maßnahmen zur Beseitigung von Wahlrechts-Missbrauch. EU-Bürger mit mehreren Staatsbürgerschaften sollen künftig erfasst und sichergestellt werden, dass sie nur einmal abstimmen.

Dass die Neuerungen im Plenum der europäischen Volksvertretung eine Mehrheit finden, ist absehbar. Anschließend müssen auch die Mitgliedstaaten noch zustimmen - und das könnte spannend werden. Denn das neue Europäische Wahlrecht zementiert auch eine weitere Regelung, die beim Votum 2014 eher ein Überraschungscoup war: die Einführung von Spitzenkandidaten und die quasi automatische Ernennung des Wahlsiegers zum neuen Präsidenten der EU-Kommission. Vor allem von Seiten der Staats- und Regierungschefs gab es heftigen Widerstand, weil laut Lissabonner Vertrag ihnen das Recht zur Besetzung dieses Topjobs zusteht. Das neu gewählte Europäische Parlament musste sich vor eineinhalb Jahren mit massivem Druck zugunsten des damaligen Gewinners Jean-Claude Juncker durchsetzen. Ob in den EU-Hauptstädten nun ein neues Wahlgesetz, das diese Regelung zur dauerhaften Einrichtung macht, durchgewinkt wird, ist nicht absehbar.

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