Brennende Barrikaden zur EZB-Eröffnung in Frankfurt

Frankfurt · Autos gehen in Flammen auf, Scheiben zu Bruch. Militante Antikapitalisten aus ganz Europa protestieren in Frankfurt gegen die EZB. Der teure Neubau wird zur Kulisse der Gewalt.

Alle haben Ausschreitungen erwartet, aber nicht in diesem Ausmaß: Früh am Morgen laufen mehrere tausend Teilnehmer der Blockupy-Proteste in Richtung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Frankfurter Osten. Sie werfen die Reklamescheibe einer Haltestelle ein, zünden Böller. Das ist nur das Vorspiel eines Ausbruchs der Gewalt, wie ihn die Bankenmetropole lange nicht mehr erlebt hat. Als die Menge auf einem Platz in der Nähe der EZB ankommt, setzen schwarz vermummte Demonstranten ein Polizeiauto in Brand. Eine andere Gruppe zerlegt einen Bauzaun und wirft die Gitter auf die Straße. Ein abgestelltes Auto eines Anwohners wird auf die Straße geschoben, Gewalttäter werfen die Scheibe ein und legen Feuer. Wütend schlägt ein Mann mit einem Stein auf die Scheibe eines parkenden Autos ein.

Von den mehreren tausend Polizisten ist nichts zu sehen auf diesem Platz. Ihre Kräfte riegeln zur gleichen Zeit das zur Sicherheitszone erklärte Gebiet direkt an der EZB ab. An den Absperrungen drängen sich Tausende Aktivisten, einige sind auf Bäume geklettert. Aus einem Radio auf einem Bollerwagen dröhnt Techno-Musik. EZB-Gegner tanzen dazu. Dann setzt sich die Menge wie auf ein geheimes Kommando in Bewegung. Alle rennen los. Die zunächst fast heitere Stimmung kippt um.

Die Polizeikräfte schießen Granaten mit Pfefferspray ab. Der Sturm auf die Absperrungen vor der EZB, vier Stunden vor Beginn der Eröffnungsfeier für den 1,3 Milliarden Euro teuren Neubau, wird abgewehrt.

Die Demonstranten ziehen sich zurück. Sie sammeln sich in ihren Bezugsgruppen, deren Namen gerufen werden: Schokoriegel! Opossum! Pinocchio! Eine Gruppe kommt bei einem Reifenhändler vorbei, stürmt in das Lager und schichtet Reifen auf der Straße zu einer Barrikade auf. Sekunden später steht sie in Flammen. Kaum eine Kreuzung im Ost end, auf der es nicht brennt. Der markante Klotz der EZB wird von dunklen Rauchschwaden verhüllt. Die Menschen halten sich Tücher vors Gesicht. Die Feuerwehr kommt mit dem Löschen kaum nach.

Nach dem ersten Ansturm beginnt ein stundenlanges Katz-und-Maus-Spiel zwischen EZB-Gegnern und der Polizei . Die Demonstranten agieren schnell, zerstreuen sich und formieren sich dann wieder neu. Die Polizei braucht mehr Zeit, um ihre Formationen an immer wieder neuen Orten geordnet in Stellung zu bringen. An der Flößerbrücke über den Main zerlegen Maskierte das Pflaster. Kurz darauf werden die Wurfgeschosse gegen zwei Wasserwerfer geschleudert, die langsam gegen die Menge vorrücken.

Ein dänischer Aktivist sagt: "Ich bin enttäuscht, warum muss so viel in Brand gesetzt werden?" Aber andere laufen vorbei und rufen auf Englisch: "Revolution!" Es ist eine archaisch anmutende "Revolution", die da auf den Straßen von Frankfurt inszeniert wird. "Wir nehmen uns die Straße", ruft ein Mann über Megafon auf einer blockierten Kreuzung. Und auf einem Plakat steht: "People over banks, people over markets." Die Finanzmärkte aber agieren nicht auf der Straße. Ihre Transaktionen finden in den Rechenzentren der Bankenmetropole statt, unsichtbar und ungerührt werden sie auch am Blockupy-Tag in Frankfurt abgewickelt.

Auf den Straßen beruhigt sich die Lage am späten Vormittag. Am Nachmittag schließt sich eine friedliche Kundgebung mit nach Zählung der Polizei rund 17 000 Demonstranten auf dem Frankfurter Römerberg an. Bilanz des Vormittags: Neben dem Sachschaden fast 100 verletzte Polizisten und noch mehr verletzte Demonstranten . Die Organisatoren des Protests stehen dem Ausbruch der Gewalt ratlos gegenüber: "Das ist nicht das, was wir geplant haben", sagt Blockupy-Anmelder Ulrich Wilken , der für Die Linke im hessischen Landtag sitzt.

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