Rio de Janeiro Brasilien wählt seinen eigenen Trump

Rio de Janeiro · Jair Bolsonaro ist neuer Präsident des größten Landes in Lateinamerika. Seine Gegner rechnen mit dem Schlimmsten.

 Salutieren für den Präsidenten: Die Anhänger Jair Bolsonaros feiern den Sieg ihres Kandidaten vor dessen Wohnung in Rio de Janeiro.

Salutieren für den Präsidenten: Die Anhänger Jair Bolsonaros feiern den Sieg ihres Kandidaten vor dessen Wohnung in Rio de Janeiro.

Foto: dpa/Leo Correa

Kurz nach seinem Wahlsieg klingelt bei Jair Bolsonaro – dem „Trump der Tropen“ – das Telefon. Das Original ist dran. US-Präsident Donald Trump will dem neu gewählten Präsidenten Brasiliens gratulieren. „Es war ein sehr freundschaftliches Gespräch“, sagt Bolsonaro. Die beiden haben einiges gemeinsam. Bei Trump heißt es „Amerika zuerst“, Bolsonaro setzt auf „Brasilien zuerst“. Beide hegen eine Faszination für das Militär, lieben die direkte Kommunikation über Twitter und vergreifen sich gerne im Ton. Sie haben glühende Anhänger und eingefleischte Feinde. Dazwischen gibt es nicht viel.

Als ihm der Sieg am Sonntag nicht mehr zu nehmen ist, gibt sich Bolsonaro aber erst einmal versöhnlich. Er spricht von einem „Brasilien der unterschiedlichen Meinungen, Farben und Orientierungen“ und kündigt an: „Unsere Regierung wird verfassungstreu und demokratisch sein.“

Seine Gegner hingegen befürchten das Schlimmste. Der Hauptmann der Reserve gilt als Sympathisant der Militärdiktatur (1964-1985) und verherrlicht deren brutalsten Folterknecht Carlos Alberto Brilhante Ustra. Die Spitze seiner Ministerien will er mit Generälen besetzen. Und sein Vize Hamilton Mourão brachte im Wahlkampf sogar die Möglichkeit eines Putsches ins Spiel.

„Bolsonaro wird Brasilien nicht in eine Diktatur verwandeln, aber er wird die Demokratie in Gefahr bringen“, sagt der Politikwissenschaftler Maurício Santoro Rocha von der Universität von Rio de Janeiro. Zwar ist Bolsonaros Sozial-Liberale Partei (PSL) von einer Kleinstpartei zu einer der stärksten Kräfte im Kongress geworden, einfach durchregieren kann er aber dennoch nicht.

Für Gesetzesvorhaben muss er Mehrheiten im Kongress organisieren. Im rechten Block mit Nationalisten und Wirtschaftsliberalen, Evangelikalen und der Agrarlobby gibt es aber viele unterschiedliche Interessen – Kompromisse werden da schnell teuer. Auch die Justiz ist äußerst selbstbewusst und dürfte den neuen Staatschef rasch in die Schranken weisen, wenn er seine Kompetenzen überschreitet.

Aber Bolsonaros Wahlsieg wird das Klima in Brasilien verändern. „In Brasilien gibt es viel Gewalt, und die schwarze Bevölkerung ist davon besonders stark betroffen“, sagt die junge Aktivistin Gabriela Roza. „Ich befürchte, dass es immer mehr Tote geben wird, weil Bolsonaro die Gewalt mit seinen Reden legitimiert.“

Bereits jetzt sind die brasilianischen Sicherheitskräfte für ihr brutales Vorgehen berüchtigt. „Wenn Bolsonaro sagt, Polizisten, die Verbrecher töten, sollten ausgezeichnet werden, stellt er einen Freibrief für Massaker in den Favelas aus“, sagt Sozialarbeiterin Lidiane Malanquini, die im Elendsbezirk Maré arbeitet. Auch auf dem Land, wo Konflikte zwischen Großgrundbesitzern und Indigenen, illegalen Holzfällern und Kleinbauern häufig mit blanker Waffe ausgetragen werden, könnte die Gewalt explodieren.

International sind vor allem Bolsonaros Umweltpläne bedrohlich. Er zieht einen Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen in Erwägung und will neue Abholzungen im Amazonas-Gebiet zulassen. Dabei ist der riesige Regenwald der größte CO2-Speicher der Welt und für das Klima von entscheidender Bedeutung. „Wenn er alles umsetzt, was er angekündigt hat, wird es ein Desaster“, sagt Carlos Rittl von der Beobachtungsstelle für das Klima.

 Ex-Militär, Waffennarr und neuer Präsident Brasiliens: Jair Bolsonaro.

Ex-Militär, Waffennarr und neuer Präsident Brasiliens: Jair Bolsonaro.

Foto: dpa/Ricardo Moraes

Wo Bolsonaro die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas hinsteuern will, ist unklar. Sein designierter Wirtschaftsminister würde gerne das Rentensystem privatisieren, Steuern senken und alle Staatsbetriebe sofort privatisieren, darunter auch Brasiliens Kronjuwel – den Ölkonzern Petrobras. Da sind Konflikte programmiert. Denn die Militärs, die Bolsonaro im Schlepptau mit in die Regierung bringt, setzen auf staatlich gelenkte Schlüsselindustrien. Hinzu kommen noch die rechten Gruppen, die ihn an die Macht gebracht haben, sagt Politologe Santoro. „In vielen Bereichen liegen sie aber über Kreuz. Da dürfte bald ein Hauen und Stechen losgehen.“

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