Bilanz der Weltklimakonferenz Bonn und das Klima – zwischen Wort und Tat

Bonn · Die Klimakonferenz hat am Ende noch einige Verhandlungserfolge erzielt. Aber wird auch gehandelt? Einige Staaten lassen Zweifel aufkommen. Darunter die Bundesrepublik.

 Szenen des Klimawandels: Braunkohlekraftwerke gelten als oberste Klima-Killer, während die Welt des Eisbären auch deshalb immer weiter schmilzt. Die Staaten ringen um Gegenmaßnahmen – auch nach der Bonner Konferenz.

Szenen des Klimawandels: Braunkohlekraftwerke gelten als oberste Klima-Killer, während die Welt des Eisbären auch deshalb immer weiter schmilzt. Die Staaten ringen um Gegenmaßnahmen – auch nach der Bonner Konferenz.

Foto: dpa/Martin Schutt

Nach Abschluss der Weltklimakonferenz wird Nick Nuttall, der englische Sprecher des UN-Klimasekretariats, einmal kurz richtig sauer. Da hätten nun tausende Delegierte zwei Wochen zusammengesessen und am Ende richtig was rausgeholt – und worüber werde berichtet? Dass sich eine Handvoll Teilnehmer über sexuelle Belästigung beschwert habe!

Tatsächlich sind bei der Klimakonferenz am Ende ein paar zusätzliche Erfolge herausgekommen, etwa die finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern. Entsprechend beseelt äußerten sich Politiker und Diplomaten. „Bonn hat unterstrichen, dass die Unterstützung für das Pariser Abkommen stark ist und dass die Reise, die die Welt angetreten hat, eine unaufhaltsame Bewegung ist, die von allen Teilen der Gesellschaft rund um die Welt getragen wird“, sagte UN-Klimachefin Patricia Espinosa. Wichtigstes Ergebnis: Der Entwurf für ein Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Er soll in einem Jahr bei der Versammlung im polnischen Kattowitz beschlossen werden.

Nach der Klimakonferenz ist vor der Klimakonferenz. Doch so wichtig das Verhandeln auch sein mag – letztlich kommt es aufs Handeln an. Und da tut sich nicht viel. Ein in Bonn präsentierter Report sagt für das Jahr 2017 einen Anstieg des weltweiten CO2-Ausstoßes um zwei Prozent voraus. China – in den vergangenen Monaten oft als neue Schutzmacht des Pariser Abkommens gefeiert – wird demnach sogar 3,5 Prozent zulegen. Die USA wollen das Pariser Abkommen verlassen, wie ihre Delegation in Bonn erneut bestätigte. Die US-Regierung hat damit begonnen, Barack Obamas „Clean Power Plan“ zu zerlegen und die CO2- und Effizienzvorschriften für Autos zurückzubauen.

Doch besonders im Fokus stand in Bonn zuletzt Deutschland. Das Land galt immer als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Umso unangenehmer ist es aufgefallen, dass Deutschland weder der Anti-Kohle-Allianz von 20 Ländern beigetreten ist, die sich in Bonn formiert hat, noch irgendwelche Zusagen für einen baldigen Kohleausstieg gemacht hat. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks konnte als SPD-Politikerin keine Aussagen mehr über den künftigen Kurs treffen, das Gastgeberland wirkte dadurch wie gelähmt.

„Von der Energiewende bis zur internationalen Klimafinanzierung war Deutschland lange das globale Vorbild in der grünen Transformation“, sagt der chinesische Greenpeace-Experte Li Shuo. „Diese Wahrnehmung ist jetzt gefährdet. Das Geburtsland der Umweltbewegung laviert um den nötigen Kohleausstieg herum, seine Autoindustrie hat mit dem Abgasskandal massiv an Ansehen verloren.“ Die einzige Möglichkeit, das verloren gegangene Ansehen zurückzugewinnen, bestehe darin, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 doch noch erreiche. Davon könne eine Signalwirkung für andere Länder ausgehen.

Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2020 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990. Nach jetzigem Stand wird dieses Ziel verfehlt – es müsste also etwas passieren. Doch bei den Verhandlungen der Jamaika-Parteien in Berlin ist das Klima nur eines von mehreren wichtigen Themen – und zwar ein umstrittenes. Umweltschutzverbände befürchten, dass die Grünen am Ende beim Klima nachgeben könnten, wenn ihnen dafür die CSU beim Thema Flüchtlinge entgegenkommt.

 ARCHIV - Ein Eisbär läuft am 21.07.2017 über Eisschollen in der Meerenge Victoria Strait im nordlichen Kanada.(Illustration zur Weltklimakonferenz in Bonn) Foto: David Goldman/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

ARCHIV - Ein Eisbär läuft am 21.07.2017 über Eisschollen in der Meerenge Victoria Strait im nordlichen Kanada.(Illustration zur Weltklimakonferenz in Bonn) Foto: David Goldman/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Foto: dpa/David Goldman

Solche Deals gehen nach Überzeugung vieler Klimaexperten an der Wirklichkeit vorbei. Denn schon jetzt gelten Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel verstärkt werden, als eine der Hauptursachen für Flucht. Experten der Vereinten Nationen nannten in Bonn eine Schätzzahl von mehr als 20 Millionen solcher Flüchtlinge im Jahr. Eine Studie der Weltbank, die demnächst veröffentlicht werden soll, deutet demnach darauf hin, dass sich die Zahl der Klimaflüchtlinge bis 2050 verzehnfachen wird. Der Vertreter Nicaraguas, Paul Oquist, sprach in seiner Rede vor dem Konferenzplenum eine düstere Warnung aus: „Wenn die Klimamigration von Millionen von Menschen in Richtung Norden los geht, wird es nur noch dieses Thema geben.“

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