Billige Milch macht Brüssel viel Ärger

Brüssel. Die Bauernverbände hatten sich schon plakativ gerüstet, um gegen eine "Abwrackprämie" für Kühe vorzugehen

Brüssel. Die Bauernverbände hatten sich schon plakativ gerüstet, um gegen eine "Abwrackprämie" für Kühe vorzugehen. Doch davon will die Kommission in ihrem "Bericht zur Lage auf dem Milchmarkt", der gestern in Brüssel endlich vorgelegt wurde, nichts wissen: Zwar unterstützt die dänische EU-Agrar-Kommissarin Mariann Fischer Boel jede "Reduzierung des Milchkuh-Bestandes." Aber: "Ich will keine Schlachtprämie. Erstens haben wir das Geld nicht. Und zweitens wäre es sehr schwierig, den Steuerzahlern zu erklären, warum wir ihr Geld ausgeben, um gesunde Tiere" zu töten.Damit erscheint der lange erwartete Bericht auf den ersten Blick "überraschungsarm", wie es einer der demonstrierenden Landwirte vor dem Kommissionsgebäude in blumiger Sprache formulierte. Denn auch bei den Produktionsgrenzen für Milch bleibt Brüssel bei seiner Position: "Eine Quotenkürzung um fünf Prozent oder ein Einfrieren der Quotenanhebungen sind ausgeschlossen."

Dennoch hat sich die Kommission bewegt. Schließlich räumt auch sie ein, dass "Preise von nur 20 oder 21 Cent je Liter zu erheblicher Unruhe unter den Erzeugern" geführt haben. Im Klartext: Davon kann kein Bauer leben.

Abhilfe soll nun ein Katalog von Maßnahmen bringen, der aus kleinen, aber wie selbst die Bauernverbands-Lobby einräumt, "begrüßenswerten" Schritten besteht. So können die Mitgliedstaaten Landwirten künftig Beihilfen bis 15 000 Euro (bisher 7500 Euro) gewähren, ohne diese bei der Kommission umständlich anmelden zu müssen.

Jene Strafzahlungen, die von Betrieben, die ihre Quote überschreiten, erhoben werden, dürfen eigenständig an jene Landwirte gezahlt werden, die weniger Milch herstellen oder gar ihre Produktion dauerhaft zurückfahren. Auf die Direktzahlungen, die aus dem Agrartopf der Kommission üblicherweise am Jahresende gezahlt werden, können bereits im Oktober Vorausbeträge bis zu 70 Prozent der zu erwartenden Gelder bewilligt werden. Darüber hinaus will die EU einiges in Bewegung setzen, um die Nachfrage anzuheben: Dazu gehört ein eigenes Programm zur Förderung von Schulmilch. Außerdem werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, gegen Produkte vorzugehen, die die "Absatzmöglichkeiten für Milcherzeugnisse" einschränken. Dahinter steckt eine Attacke gegen "Analogkäse oder Eiscreme, bei der das Milchfett durch Pflanzenöle ersetzt" wurde. Kommissarin Fischer Boel drängt deshalb die nationalen Regierungen, die "geltenden Bezeichnungen proaktiv" neu fassen, damit dieser Billigersatz nicht länger auf Pizzen, Lasagne oder in Tiefkühlkost zum Einsatz kommt.Spätestens im Herbst, so heißt es aus dem Umfeld von Kommission und Europäischem Parlament, wolle man gegen den Trend zu "Alibi-Käse" und anderen "gemogelten Milchprodukten" vorgehen.

In einem Punkt werden die Bauern noch einmal vertröstet. Parallel zur Vorlage der Agrarkommissarin durchleuchten Brüssels Wettbewerbshüter den Markt, weil sie annehmen, dass die Lebensmittelketten eine "nicht transparente Preisbildung" nutzen, um daraus Wettbewerbsvorteile zu ziehen. "Ich will

keine Schlachtprämie."

EU-Agrar-Kommissarin Mariann Fischer Boel

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