Frankreich Bei Frankreichs Rechten fliegen die Fetzen

Paris/Forbach · Der Vize-Chef des französischen Front National, Florian Philippot aus Lothringen, verlässt seine Partei. Ein Streit mit Chefin Le Pen war eskaliert.

 Der Vize-Chef des französischen Front National, Florian Philippot aus Lothringen, verlässt seine Partei.

Der Vize-Chef des französischen Front National, Florian Philippot aus Lothringen, verlässt seine Partei.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Wenn Marine Le Pen in den vergangenen Jahren irgendwo auftrat, war Florian Philippot nicht weit. Der 35-Jährige war nicht nur Parteivize, sondern auch der „Einflüsterer“ der Chefin des Front National. Eine gefährliche Rolle, die mit den Wahlergebnissen stand oder fiel. Deshalb war es auch kein Wunder, dass der Stern des Absolventen der Elite-Verwaltungshochschule ENA nach der Niederlage Le Pens bei den Präsidentschaftswahlen zu sinken begann. Wochenlang verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Le Pen und ihrem Stellvertreter, bis die Parteichefin ihm alle Kompetenzen entzog und ihn damit zum Parteiaustritt drängte. „Es ist nicht nach meinem Geschmack, nichts zu tun, deshalb verlasse ich natürlich den Front National“, sagte der Europaabgeordnete gestern im Fernsehen zur Begründung.

Mit der Entmachtung Philippots hatte Le Pen auf dessen Weigerung reagiert, den Vorsitz einer politischen Vereinigung aufzugeben, die er selbst im Juni gegründet hatte. Mit dem Abgang des bei den Parteimitgliedern ohnehin ungeliebten Philippot ist auch die „Entteufelung“ der Partei Geschichte, für die der Stratege stand. Nach den Jahrzehnten des für seine antisemitischen Parolen bekannten Übervaters Jean-Marie Le Pen hatte seine Tochter seit 2011 versucht, den FN aus der Schmuddelecke zu holen und ihn so auch für die Mitte der Gesellschaft wählbar zu machen. Die Strategie ging zunächst auf: der FN legte von Wahl zu Wahl zu und wurde bei der Europawahl 2014 zur stärksten Kraft in Frankreich. Im Wahlkampf 2017 fanden die nach außen hin weichgespülten „Frontisten“ sogar zum ersten Mal einen Verbündeten in dem Populisten Nicolas Dupont-Aignan, der Le Pen in der Stichwahl um das Präsidentenamt unterstützte.

Dort holte die FN-Kandidatin zwar mit 10,6 Millionen Stimmen das beste Ergebnis für ihre Partei überhaupt, blieb aber mit knapp 34 Prozent der Stimmen unter den eigenen Erwartungen. Vor allem ihr blamabler Auftritt im Fernsehduell gegen Wahlsieger Emmanuel Macron hinterließ seine Spuren. Deshalb fielen auch die Parlamentswahlen im Juni schlechter aus als von der Partei erhofft: mit acht Abgeordneten verpassten die Rechtspopulisten den wichtigen Fraktionsstatus. Als Stimme der Opposition etablierte sich seither der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, während Marine Le Pen auf einer Hinterbank ein Schattendasein fristet.

Philippot, der sich in Forbach in der Region Grand Est an der Grenze zum Saarland um einen Sitz beworben hatte, verpasste den Einzug in die Nationalversammlung und besiegelte damit sein eigenes Schicksal. Auch die Strategie des Jungstars, auf den Ausstieg aus dem Euro zu setzen, gilt als gescheitert. „Marine Le Pen hat die Wahl verloren, weil sie für den Austritt aus dem Euro war“, sagt der Politologe Dominique Reynié. Eine Erkenntnis, die der Parteichefin nach ihrer Niederlage ebenfalls gekommen war. Für die Parlamentswahlen stellte sie deshalb das Thema Europa zurück und vollzog damit eine Kehrtwende, die ihre Anhänger nicht nachvollziehen konnten. Hatte Le Pen doch selbst gesagt: „Wenn ich nicht aus der EU austrete, kann ich 70 Prozent meines Programms nicht umsetzen.“ Das muss sie nun nach dem Abgang ihres Vordenkers ganz neu formulieren. „Schluss mit der Rhetorik gegen den Euro und die Europäische Union. Zurück ist das große Thema Anti-Einwanderung und die Verteidigung des ewigen Frankreichs“, schreibt die Zeitung „Le Monde“. Eine Wende, die Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen freuen dürfte. Die 27-jährige Erzfeindin Philippots, die sich nach den Präsidentschaftswahlen vorübergehend aus der Politik zurückgezogen hatte, steht genau für einen solchen stramm rechten Kurs. Sie könnte nun wieder auf die Bühne zurückkehren und ihrer angeschlagenen Tante ernsthaft Konkurrenz machen. 2021 will die Partei entscheiden, wen sie als Kandidaten in die nächste Präsidentschaftswahl schicken will.

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