Selbstmedikation „Bei einfachen Erkältungen ist die Apotheke die richtige Adresse“

Saarbrücken · Es muss nicht immer ein Arztbesuch sein, sagt der Chef der Apothekerkammer im Saarland. Trotzdem sieht er die Selbstbehandlung als Risiko.

 Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes

Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes

Foto: Apothekerkammer

Jeder Vierte nimmt laut einer neuen Umfrage ohne ärztlichen Rat regelmäßig Medikamente ein. Der neue Trend birgt Gefahren, warnt Manfred Saar, Präsident der saarländischen Apothekerkammer.

Herr Saar, warum holen sich so viele Saarländer eher ein Medikament aus der Apotheke, als zum Arzt zu gehen?

SAAR Die Apotheke ist eine Stelle, wo der Patient nicht groß warten muss oder einen Termin benötigt. Er kann einfach hingehen, kaufen, was er benötigt, und die Sache ist erledigt. Der Apotheker berät den Patienten dazu noch. Für viele ist es schlichtweg bequemer, in eine Apotheke zu gehen, wenn es sich um banale Schmerzen handelt.

Hat sich mit der steigenden Selbstmedikation die Rolle des Apothekers verändert?

SAAR Ein Apotheker muss immer erst einmal abklären, um welche Art von Schmerz es sich handelt. Einerseits ist da die Selbstdiagnose des Patienten, aber trotzdem muss der Apotheker immer erfragen, ob es sich nicht um Schmerzen handelt, die ein Arzt abklären sollte. Insofern ist der Anspruch an die Apotheker gestiegen. Die Verpflichtung, mehr zu beraten, ist sicherlich größer als früher.

Kann eine Selbstmedikation auch gefährlich sein?

SAAR Natürlich kann sie gefährlich sein. Das ist immer dann der Fall, wenn die Schmerzen nur Symptome einer Krankheit sind, die unbedingt vom Arzt behandelt werden sollte. Sei es Rheuma oder eine Entzündung, die sich durch Schmerzen äußert.

Gibt es auch Schmerzen und Erkrankungen, bei denen eine Selbstmedikation sinnvoll ist?

SAAR Es gibt Erkrankungen, wie eine einfache Erkältung oder leichte Kopfschmerzen – in diesen Fällen ist die Apotheke definitiv die richtige Adresse. Dann blockiert man nicht die Praxis mit „banalen Erkrankungen“. Wenn die Schmerzen jedoch nicht weggehen, dann sollte man sofort einen Arzt aufsuchen.

Was könnte bei einer Selbstmedikation schief gehen?

SAAR Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten können die Folgen einer Selbstmedikation sein. Beispielsweise Paracetamol: Das Medikament wird nur sehr langsam über die Leber abgebaut. In der Regel dauert es drei Tage. Wenn ein Patient nun mehrere Tage lang verstärkt Paracetamol einnimmt, könnte es zu einem Leberpoblem kommen. Vor allem bei Kindern ist das ein Thema. Wenn die Anzeichen einer Nebenwirkung nicht beachtet werden, kann es sogar zu massiven körperlichen Pro­blemen kommen.

Diagnosen sind im heutigen Zeitalter nur einen Klick entfernt. Welche Rolle spielt „Dr. Google“ bei der zunehmenden Selbstmedikation?

SAAR Je nachdem, wie Menschen veranlagt sind, das heißt wie positiv oder negativ sie denken, finden sie im Internet die entsprechende Diagnose. Die Gefahr hierbei ist, dass der Betroffene in eine Diagnoserichtung geführt wird, die einfach falsch ist. Online werden oft Extremfälle dargestellt, an denen sich die Menschen orientieren. Aber in 95 Prozent der Fälle handelt es nicht um eine extreme Erkrankung, sondern um Schmerzen, die auch wieder weggehen, ohne dass ein Tumor oder eine andere schwere Erkrankung vorliegt. Die Internet-Diagnose verunsichert die Menschen eher, als dass sie ihnen hilft.

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