Wagenknecht macht sich Feinde Bei der Linken gilt jetzt Spalten statt Sammeln

BERLIN Rund zweieinhalb Monate vor ihrem Wahlparteitag in Leipzig ringt die Linkspartei wieder einmal mit sich selbst. Auslöser sind harte Äußerungen von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht über die politischen Qualitäten der Parteivorsitzenden. Damit stößt Wagenknecht auch vormals engste Verbündete vor den Kopf.

 Sahra Wagenknecht würde die Parteispitze wohl gerne loswerden.

Sahra Wagenknecht würde die Parteispitze wohl gerne loswerden.

Foto: dpa/Pedersen

Die Kritik fiel klar und schonungslos aus: „Eine Partei, in der es ständig Streit und interne Reibereien gibt, wird nicht gut geführt“, meinte Wagenknecht vor ein paar Tagen in einem Presse-Interview. Diese Breitseite ist der vorläufige Höhepunkt eines verbissen geführten Dauerkonflikts zwischen Wagenknecht und den Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. Ein Streit, den auch Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine nach Kräften befeuert. Bereits kurz nach der Bundestagswahl hatte der Saarländer den beiden Parteichefs vorgeworfen, keine politische Zugkraft zu entfalten. Durch Lafontaines Idee für die Bildung einer „linken Sammlungsbewegung“, der auch Wagenknecht anhängt, schaukelten sich die parteiinternen Spannungen weiter hoch.

Zahlreiche Bundestagsabgeordnete der Linken machten jetzt ihrem Ärger über diese Eskalation schriftlich Luft: „Mit Erstaunen nehmen wir die inzwischen wiederholt vorgetragene Kritik unserer Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht an der Arbeit der Parteispitze wahr. Wir teilen diese Einschätzung nicht“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Zudem sei der Vorstoß für eine linke Sammlungsbewegung ohne Abstimmung mit der Partei erfolgt. Das berge die „Gefahr des Scheiterns“ aller bisherigen Bemühungen für eine Stärkung der Linken in sich.

Besonders bemerkenswert an dieser Stellungnahme ist, dass sie von über einem Drittel der insgesamt 69 Linksabgeordneten im Bundestag unterzeichnet wurde – und dass sich darunter auch einige ganz linke Linke wie etwa die Innenexpertin Ulla Jelpke befinden, die noch vor nicht allzu langer Zeit zu den Verbündeten Wagenknechts gehörten. Bröckelt jetzt ihre Machtbasis?

Zweifellos würde Wagenknecht die beiden Vorsitzenden am liebsten loswerden. Stehen sie doch dem unumschränkten Führungsanspruch der Fraktionschefin im Wege. Besonders in der Flüchtlingsfrage sind die Meinungsunterschiede zwischen den Spitzenfunktionären der Linken fundamental. Wagenknecht spielt hier offen die nationale Karte und provoziert damit nicht nur Kipping und Riexinger, sondern nahezu den gesamten linken Laden. Zwar finden dort auch viele andere, dass es den beiden Vorsitzenden an politischer Ausstrahlung mangelt. Allerdings steht die Linke derzeit vergleichsweise gut da. Nach einem Stimmenanteil von 9,2 Prozent bei der Bundestagswahl schneidet sie in den aktuellen Umfragen durchweg zweistellig ab. „Es läuft doch“, ist ein weit verbreitetes Genossen-Gefühl. Wagenknechts jüngste Stänkereien sind Gift für dieses Gefühl. Und sie sorgen offenbar auch für einen ganz anderen Effekt als von ihr gewünscht: „Kipping und Riexinger sitzen jetzt fester im Sattel“, heißt es in der Partei.

Die beiden führen die Linke immerhin schon seit dem Jahr 2012. Auf dem bevorstehenden Bundesparteitag Anfang Juni in Leipzig wollen sich Kipping und Riexinger zur Wiederwahl stellen. Im Erfolgsfall wäre es ohnehin ihre letzte Amtsperiode. Nach den parteiinternen Regularien ist sie auf insgesamt acht Jahre begrenzt. Ernsthafte Gegenkandidaten sind derzeit nicht in Sicht. Genauso wenig übrigens wie eine „linke Sammlungsbewegung“. Wagenknecht hatte angekündigt, dass es dazu noch vor der Sommerpause einen „ersten öffentlichen Aufschlag“ geben werde.

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