„Lassen uns die Invasion nicht gefallen“

Rom · Seit Jahresbeginn erreichten etwa 20 000 Flüchtlinge Italien über das Meer. In den nächsten Wochen dürften es noch deutlich mehr werden. Einige Politiker wollen daraus Kapital schlagen.

Sommertemperaturen in Italien erregen oft Neid im Norden. Sie bedeuten aber auch, dass die Überfahrten der Flüchtlinge über das Meer zunehmen. Auch die politischen Spannungen spitzen sich deshalb zu. Mit möglicherweise spürbaren Folgen auch für Deutschland.

Während die Regierung in Rom einen Anflug von Ordnung in das Chaos zu bringen versucht, gießt insbesondere die Lega Nord Öl ins Feuer. Parteichef Matteo Salvini rief kürzlich dazu auf, "jedes Hotel, jede Schule oder Kaserne" zu besetzen, die die Regierung für die Unterbringung von Flüchtlingen verwenden wolle. Salvini behauptet, Rom und Brüssel hätten den Anstieg der Bootsflüchtlinge selbst verschuldet, da Küstenwache und Schiffe der EU-Grenzschutzagentur Frontex mit ihren Rettungsaktionen den Schleppern zusätzlichen Anreiz für die Überfahrten lieferten.

Italien ist trotz zahlreicher Warnungen dem Ansturm nicht gewachsen. Bis zu 80 000 Flüchtlinge befinden sich derzeit im Land. Über die Verteilung ist nun ein Streit entbrannt, der auch die angespannte Lage in Nordeuropa noch verschärfen könnte. Einige wohlhabende Regionen Italiens wollen keine weiteren Plätze zur Verfügung stellen. "Wir lassen uns diese Invasion nicht gefallen, deshalb gibt es keine Plätze in der Lombardei", schimpfte Roberto Maroni, Gouverneur der Lombardei und ehemaliger Lega-Parteichef. Das Innenministerium hatte zuvor von den Regionen gefordert, Plätze für 6500 Neuankömmlinge zu schaffen. Dabei geht es mittelfristig um wesentlich höhere Zahlen. Bis zu einer Million Menschen warten nach Angaben von Frontex in Libyen auf die Überfahrt.

Einer der Hauptgründe für die abwehrende Haltung des italienischen Nordens sind die Regionalwahlen am 31. Mai. Lega-Parteichef Salvini versucht, den Niedergang von Silvio Berlusconi auszunutzen und das rechte politische Spektrum zu besetzen. Dafür braucht er einen Erfolg bei den Regionalwahlen. Die Toten im Mittelmeer sind im politischen Kalkül dabei keine relevante Größe. Salvini sagt schlicht: "Je mehr kommen, desto mehr werden sterben."

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Am randeIn Italien sind gestern 15 muslimische Flüchtlinge aus Afrika festgenommen und des Totschlags beschuldigt worden, weil sie laut Zeugen bei der Überfahrt Richtung Europa zwölf Christen über Bord geworfen haben. Den Festgenommenen werde "mehrfacher Totschlag erschwert durch religiösen Hass" vorgeworfen, teilte die Polizei von Palermo mit. Das Drama soll sich in der Straße von Sizilien im Mittelmeer zugetragen haben. Es sei zu einer Schlägerei zwischen den Gruppen gekommen, hieß es. afp

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