Aus dem Kriegsgebiet nach Friedland

Friedland · Jahrzehntelang wurden in Friedland deutschstämmige Aussiedler aufgenommen. Inzwischen leben im Grenzdurchgangslager vor allem Asylbewerber. Jetzt werden Flüchtlinge aus Syrien in der Einrichtung im Kreis Göttingen erwartet.

Angelika Jung lässt sich die Essenskarte geben, stempelt sie ab und schiebt das Tablett über den Tresen. Es gibt Nudeln mit Soße. "Bolognese mit Rind", sagt die Küchenhelferin. "Wegen des Glaubens." Viele Flüchtlinge, die an diesem Tag im Lager Friedland ihr Mittagessen abholen und sich dann an langen Tischen niederlassen, stammen aus dem arabischen Raum. "Unsere Küche hat sich schon vor längerer Zeit auf die Essgewohnheiten dieser Menschen eingestellt", sagt Heinrich Hörnschemeyer, der die Aufnahmeeinrichtung im Kreis Göttingen seit 22 Jahren leitet. Anders als früher, als vorwiegend deutschstämmige Aussiedler und nicht Asylbewerber kamen, gibt es Schweinefleisch nur noch in Ausnahmefällen. "Unsere Köche müssen sich deshalb auch nicht besonders darauf einstellen, dass jetzt die ersten Flüchtlinge des UN-Kontingents aus Syrien kommen", sagt Leiter Hörnschemeyer.

Die Bundesregierung hatte sich bereits im Frühjahr bereit erklärt, 5000 Menschen aus dem Bürgerkriegsland aufzunehmen. Viele von ihnen kommen zunächst nach Friedland. Die ersten dieser UN-Flüchtlinge werden heute in Deutschland eintreffen - 109 Menschen, davon rund 40 Kinder und Jugendliche. "Syrische Flüchtlinge sind für unsere Mitarbeiter allerdings nichts Besonderes", sagt Hörnschemeyer. Denn schon jetzt stellen sie in Friedland die größte Gruppe der Asylbewerber. Seit Beginn des Bürgerkrieges im März 2011 sind 15 500 Syrien-Flüchtlinge auf eigene Faust nach Deutschland gekommen, viele davon zuerst nach Friedland. Einer von ihnen ist Wael Hindi aus Damaskus. Er sitzt mit seiner Ehefrau, einer Literaturwissenschaftlerin, und den beiden Kindern beim Nachtisch in der Lagerkantine. Es gibt Nektarinen.

Der 31-Jährige hat in der syrischen Hauptstadt im Auftrag der Vereinten Nationen palästinensischen Flüchtlingskindern Sportunterricht erteilt. Nachdem eine Granate in sein Haus eingeschlagen sei und die Schießereien auf offener Straße immer heftiger wurden, sei die Familie geflüchtet, sagt Hindi. Zumindest für die Töchter erhoffe er sich eine gute Zukunft in Deutschland.

Abdulkadar Halabli stammt aus Aleppo. Er habe Angst um sein Leben gehabt, berichtet der 42 Jahre alte Apotheker. Weil er sich in einer nichtmilitanten kurdischen Organisation engagiert habe, sei er sowohl von Anhängern des Präsidenten Baschar al-Assad als auch von Regimegegnern bedroht worden. Um dem Wehrdienst in der syrischen Armee zu entgehen, ist der Jurastudent Ahmed Hamadi aus seiner Heimat geflüchtet. Seine Schwester, die im Bürgerkrieg eine Schussverletzung erlitten habe, hat ihn begleitet. Ein Arzt, der aus Angst um in Syrien zurückgebliebene Angehörige seinen Namen nicht in den Medien lesen möchten, berichtet von massiven Gewaltandrohungen syrischer Soldaten. Er habe auch verletzte Rebellen behandelt, fügt er hinzu. Er habe sich nicht erpressen lassen und gegen den ärztlichen Eid handeln wollen. Deswegen verließ er Syrien zusammen mit Ehefrau und zwei Söhnen.

"Die Bürgerkriegsflüchtlinge haben zumeist nur das Nötigste bei sich", berichtet Bettina Briesemeister vom Deutschen Roten Kreuz, das ebenso wie andere Hilfsorganisationen im Lager vertreten ist. Die Menschen brauchen Kleidung und Hygieneartikel, die Kinder Spielzeug. Obwohl das Lager mit gut 450 Asylbewerbern, darunter etwa 160 aus Syrien, gut gefüllt sei, gebe es in Friedland noch genügend Platz für die erwarteten Neuankömmlinge, sagt Leiter Hörnschemeyer. Die Zimmer sind schlicht eingerichtet. Etagenbetten mit dünnen Matratzen stehen darin, Tisch und Stühle, ein Schrank. Toilette und Bad sind über den Gang zu erreichen.

Die Syrien-Flüchtlinge werden zwei Wochen in Friedland bleiben. In dieser Zeit sollen sie mit sogenannten Wegweiserkursen auf ihre Zeit in Deutschland vorbereitet werden, sagt Hörnschemeyer. Die ersten Worte in deutscher Sprache, Informationen über Kita, Schule, Gesundheitssystem, Behördengänge, Beratungsstellen. Anschließend werden die Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt. > Siehe auch

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