Urteil des EuGH Auch psychisch Kranke können abgeschoben werden

Luxemburg · Von Detlef Drewes

Flüchtlinge, die in ihrer Heimat gefoltert wurden und in Europa wegen der psychischen Folgen in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung sind, können nicht automatisch ein Bleiberecht beanspruchen und dementsprechend auch wieder abgeschoben werden. Mit diesem Spruch hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gestern ein weitreichendes, menschlich sicher schwieriges Urteil gesprochen.

Der Kläger lebt derzeit in Großbritannien. Er reiste 2005 als Student ein und stellte 2009 einen Asylantrag, weil er als Mitglied der „Befreiungstiger von Tamil Elam“ durch staatliche Sicherheitskräfte gefoltert worden war. Auf der Insel wird er deshalb wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie Depression behandelt. Doch die zuständigen Behörden wiesen den Asylantrag ab und begründeten dies mit der aktuellen politischen Situation: Der junge Mann habe im Falle seiner Rückkehr keine weiteren Repressalien zu befürchten. Trotzdem beantragte der Kläger subsidiären Schutz – also ein befristetes Aufenthaltsrecht wegen drohender Gefahr in der Heimat. Schließlich könne seine psychische Behandlung dort nicht angemessen fortgeführt werden. Deshalb drohten gesundheitliche Gefahren bis zum Suizid.

Der Richterspruch dürfte nach Meinung von Experten zu Diskussionen führen. Denn sie lehnten es ab, zurückliegende Folter oder schwere Krankheit als Gründe für einen subsidiären Schutz anzuerkennen. Sogar eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes könne „für sich genommen nicht als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung“ in der Heimat angesehen werden. Anders stelle sich die Sachlage allerdings dar, wenn die Behörden des Herkunftslandes dem einstigen politische Gegner die notwendige Behandlung absichtlich verweigerten. Das nun wieder zuständige britische Gericht wurde deshalb beauftragt, alle zur Verfügung stehenden Quellen (Berichte internationaler Institutionen sowie Nichtregierungsorganisationen, die sich mit dem Schutz der Menschenrechte befassen) zu nutzen, um festzustellen, ob dem Kläger bei einer Rückkehr die psychische Betreuung gezielt vorenthalten werde. Grundlage für das Urteil war die Charta der Grundrechte der EU. Die Richter im Vereinigten Königreich hatten dem Mann allerdings ohnehin schon die Abschiebung erspart. In dem Verfahren ging es lediglich um die Frage, ob er sein Aufenthaltsrecht mit Rückgriff auf den subsidiären Schutz verlängern darf.

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