Auch der Prophet weint um „Charlie“

Paris · Die erste Ausgabe der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ nach dem blutigen Angriff erscheint mit einem Mohammed-Titel. Die Auflage liegt bei drei Millionen Exemplaren.

Die Überlebenden von "Charlie Hebdo " lassen sich nicht unterkriegen: Mit der jüngsten Ausgabe der Satirezeitung ist den Karikaturisten - eine Woche nach dem tödlichen Anschlag auf ihre Redaktion - eine Mischung aus trotziger Provokation und Versöhnungsgeste gelungen. Ein weinender Prophet Mohammed schaut dem Leser vom Titelblatt entgegen, er trägt ein Schild mit der weltweit bekannten Solidaritätsbekundung "Je suis Charlie" - "Ich bin Charlie". Die Überschrift: "Alles ist vergeben".

Morgen kommt die Satirezeitung mit einer Rekordauflage in den Handel. Drei Millionen "Charlie-Hebdo"-Exemplare wurden gedruckt, sie sollen in 25 Ländern verkauft werden, darunter Deutschland. Bislang waren es jede Woche rund 60 000 Exemplare.

Doch nichts ist mehr wie früher, seit am vergangenen Mittwoch zwei schwer bewaffnete Islamisten die Redaktionssitzung der für ihre Mohammed-Karikaturen bekannten Satirezeitung stürmten und kaltblütig acht "Charlie Hebdo "-Mitarbeiter erschossen, unter ihnen die legendären Zeichner Charb, Cabu, Wolinski, Tignous und Honoré. Insgesamt zwölf Menschen wurden von den Attentätern erschossen, ein Gesinnungsgenosse tötete in den folgenden Tagen fünf weitere Menschen. Frankreich stürzte in einen Schockzustand - doch bei den Überlebenden von "Charlie Hebdo " war schnell klar, dass die Satirezeitung nicht klein beigeben darf. Schon am Tag nach den Anschlägen betonte der "Charlie-Hebdo"-Kolumnist Patrick Pelloux trotzig: "Wir werden weitermachen."

Rund ein Dutzend Mitarbeiter des 1992 gegründeten Satireblatts, das wegen seiner respektlosen Karikaturen und des oft derben Humors von den einen geliebt, von den anderen gehasst wurde, arbeitete seit Ende vergangener Woche an einer Ausgabe "der Überlebenden". Die linksgerichtete Tageszeitung "Libération" bot dem "Charlie Hebdo "-Team Unterkunft - wie schon nach einem Brandanschlag auf die Redaktionsräume der Satirezeitung im November 2011. "Charlie Hebdo " hatte da wieder einmal Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Dass in der Ausgabe "der Überlebenden" nun erneut eine Mohammed-Karikatur abgedruckt wird, ist für die Macher eine Selbstverständlichkeit. "Es wäre verwunderlich gewesen, wenn es keine gegeben hätte", sagte "Charlie-Hebdo"-Anwalt Richard Malka. "In den vergangenen 22 Jahren gab es bei 'Charlie Hebdo ' keine Ausgabe ohne Karikaturen vom Papst, von Jesus, von Priestern, Rabbinern, Imamen oder von Mohammed."

Die Mohammed-Zeichnung auf der Titelseite ist die einzige Karikatur des Propheten , dafür macht sich die Zeitung ausgiebig über religiöse Fanatiker lustig. Auf der letzten Seite ist eine Karikatur von Luz, der auch die Titelseite gestaltete: Islamistische Terroristen kommen im Paradies an, einer fragt enttäuscht: "Wo sind die 70 Jungfrauen?" Die Antwort: "Beim Team von Charlie, du Trottel." Auf einer Doppelseite ist zudem eine Karikatur des getöteten Zeichners Cabu abgedruckt, in der die Syrien-Reise von Dschihadisten mit dem europäischen Studienaustauschprogramm Erasmus verglichen wird.

In Frankreich hält derweil die Welle der Solidarität für die Satirezeitung an. Manche Behörden oder Unternehmen haben gleich tausende Exemplare der neuen Ausgabe bestellt.

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