Assange löst Sex-Debatte in Schweden aus

Stockholm. Unfreiwillig hat Julian Assange (Foto: afp), Gründer des Enthüllungsportals Wikileaks, eine Flut sehr persönlicher Enthüllungen in Schweden ausgelöst

Stockholm. Unfreiwillig hat Julian Assange (Foto: afp), Gründer des Enthüllungsportals Wikileaks, eine Flut sehr persönlicher Enthüllungen in Schweden ausgelöst. Im Gefolge der Stockholmer Sex-Anklagen tauschen seit einer Woche tausende Schwedinnen, aber auch Männer, ihre Erfahrungen in der Grauzone zwischen nicht ausdrücklich vereinbartem Sex, Übergriffen eines Partners bis hin zu Vergewaltigungen aus. Ihr Medium: Twitter-Mitteilungen und Blogs unter dem Motto "Prata om det" ("Drüber sprechen").Anfang letzter Woche war über internationale Medien auch nach Schweden durchgedrungen, um welche Vorwürfe es bei der internationalen Fahndung nach dem 39-jährigen Australier konkret geht: Zwei Schwedinnen werfen ihm vor, im Sommer bei sexuellen Kontakten mit ihnen die Forderung nach einem Kondom nicht respektiert zu haben. Dass er dabei ungeschützten Sex mit einer der beiden gehabt haben soll, als die Frau schlief, stuft die schwedische Staatsanwaltschaft als Vergewaltigungsverdacht ein.

Letzteres brachte die 32-jährige Journalistin Johanna Koljonen dazu, beim Twittern über den Fall Assange mit einer Freundin eine ähnliche eigene Erfahrung anzusprechen. In Schweden, einem sexuell als recht liberal geltenden Land, seien nicht zuletzt die Frauen "extrem schlecht in der Lage, über sexuelle Situationen zu sprechen, wenn es Probleme gibt", meinte sie.

Ihre Aufforderung an alle, das zu ändern, versah sie bei Twitter mit dem Rautenzeichen "#" vor "prataomdet", wodurch alle Mitteilungen zum Thema verknüpft werden. Das Echo war und ist überwältigend. "Es gibt offenbar einen riesigen, angestauten Bedarf, über so etwas zu berichten", meinte die Mitinitiatorin und Expertin für soziale Netzmedien, Sofia Mirjamsdotter.

Unter die Lupe genommen wird dabei auch, was in Schweden als Vergewaltigung gilt. Mit einer Gesetzesänderung 2005 sollte erreicht werden, dass sexuelle Aktivitäten gegenüber schlafenden, völlig betrunkenen oder sonst wie nur eingeschränkt entscheidungsfähigen Partnern relativ schnell als Vergewaltigung eingestuft werden können. Klar in der Minderheit sind bei "Prata om det" Kritiker, die die Vorwürfe der beiden Schwedinnen gegenüber Assange und den Jagdeifer von Schwedens Justiz für maßlos übertrieben halten. dpa

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