„Angela Merkel wirkt wie der Fels in der Brandung“

Mainz · Parteienforscher Jürgen Falter erklärt, warum trotz nachlassendem Schulz-Effekt die NRW-Wahl nicht mit der Bundestagswahl gleichzusetzen ist.

Parteienforscher Jürgen Falter. Foto:dpa

Parteienforscher Jürgen Falter. Foto:dpa

Auch wenn die SPD an diesem Sonntag die Wahl in NRW verlieren würde, müsste ihr Spitzenkandidat Martin Schulz seine Hoffnung auf die Kanzlerschaft nicht begraben. Parteienforscher Jürgen Falter erklärt, warum.

Herr Falter, wieviel Bundestagswahl steckt in der NRW-Wahl?

FALTER Natürlich steckt davon etwas drin. Aber sie mit der Wahl im Bund gleichzusetzen wäre völliger Unsinn. Erstens sind bis dahin immer noch gut vier Monate Zeit. Zweitens ist NRW nur ein Teil der Bundesrepublik, der Osten spielt dort ebenso keine Rolle wie die Mentalitäten der Südländer, also der Bayern oder Schwaben. Und drittens sind auch landesspezifische Aspekte, vom Strukturwandel bis zum Dauer-Stau, für den Wahlausgang nicht zu unterschätzen.

Seit der Saarland-Wahl ist die Union im Aufwind. Folgt dem Schulz-Hype wieder der Merkel-Hype?

FALTER Sagen wir mal so, es ist wieder eine gewisse Normalität eingetreten. Das war auch zu erwarten. Denn wenn das mediale Interesse an Schulz nachlässt, dann lässt auch seine Wirkung etwas nach. Und in dem Maße, wie Schulz Stellung nehmen musste zu inhaltlichen Problemen, bröckelte auch die allgemeine Zustimmung für ihn wieder etwas ab. Denn politische Festlegungen polarisieren natürlich auch in Gegner und Befürworter.

Das heißt, die Union macht deshalb Boden gut, weil der Stern der SPD wieder gesunken ist?

FALTER Nicht nur. Das hat auch damit zu tun, dass Angela Merkel einmal mehr wie der Fels in der Brandung wirkt. Gerade in schwierigen Zeiten, siehe Trump-Wahl, kommt ihre Verlässlichkeit wieder stärker zum Tragen. Viele sagen sich, da weiß man, was man hat, bei Schulz weiß man das nicht so recht.

Kann Schulz noch Kanzler werden, falls die SPD in NRW verliert?

FALTER Ja, das denke ich schon. Kanzler wird man, indem man mehrheitsfähige Koalitionen schmiedet. Und da kann auch die schwächere Partei den Kanzler stellen, wie wir seit 1969 durch die damalige Kanzlerschaft von Willy Brandt wissen. Außerdem ist die Bundestagswahl erst im Herbst. Da kann auch die Union noch Fehler machen. Eine deutliche Niederlage der SPD in NRW, gar der Verlust der Ministerpräsidentschaft, würde es Schulz allerdings sehr schwer machen.

War es klug von NRW-Regierungs-Chefin Kraft, eine Koalition mit den Linken auszuschließen?

FALTER Das war unbedingt notwendig. Zum einen sind die NRW-Linken die linksten aller Linken, also radikale Gesellschaftsveränderer, die schwerlich mit einer Pragmatikerin wie Hannelore Kraft harmonieren könnten. Und zum anderen hätte das für die CDU zusätzlich mobilisierend gewirkt. Krafts Festlegung war richtig, sie hat es nur ein bisschen spät und noch immer nicht eindeutig genug gesagt. Ihre Absage ist auslegungsfähig.

Die Fragen stellte Stefan Vetter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort