Wirbel um Politiker-Zitate Andrea Nahles’ „Fresse“-Zitat und andere Ausrutscher

Berlin · Bei Politiker-Zitaten kommt es auf den Zusammenhang an. Das zeigt die Aufregung um die Einlassung der Ex-Arbeitsministerin – die kein Einzelfall ist.

Ups, Frau Nahles. Sie sorgte mit ihrem Zitat für mächtig Wirbel.

Ups, Frau Nahles. Sie sorgte mit ihrem Zitat für mächtig Wirbel.

Foto: dpa/Christian Charisius

Das war nicht lustig, auch wenn Andrea Nahles laut gackerte. Wie sich die letzte Kabinettssitzung angefühlt habe, fragte eine TV-Journalistin die neue SPD-Fraktionsvorsitzende. „Ein bisschen wehmütig“, antwortete diese grinsend. „Und ab morgen kriegen sie in die Fresse“. Haha. Nahles hat nun jede Menge Ärger, zu Recht. Freilich gilt auch für diesen Vorgang: Im Zusammenhang gesehen relativiert sich der Skandal. Wie so oft in der Politik.

Tatsächlich wiederholte Nahles, die gestern ihre offizielle Entlassungsurkunde als scheidende Arbeitsministerin erhielt, in dem kurzen TV-Ausschnitt eine Szene, die sich morgens im Kabinett abgespielt hatte. Demnach war alles eher eine derbe Frotzelei, „ein Scherz“ (Nahles) unter politischen Konkurrenten. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) fragte: „Na Andrea, bist du schon wehmütig, dass jetzt Schluss ist?“ Nahles antwortete: „Klar, noch genau 20 Minuten. Und dann gibt’s in die Fresse...“ Die Umstehenden, auch aus der Union, lachten. Es sei, erklärten Nahles‘ Leute am Tag danach, eher im Sinne von „dann kloppen wir uns wieder“ gemeint gewesen. Kam aber öffentlich nicht so rüber.

Das Beispiel zeigt: Zu jedem Zitat gibt es einen Zusammenhang. Zu jedem Bild auch. Was wurde der damalige Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) beschimpft, weil er sich 2009 in Siegerpose auf dem Times Square ablichten ließ. Er war eigentlich in New York, um Opel zu retten. Was die Öffentlichkeit nicht erfuhr: zu Guttenberg musste gedrängt werden, dort ein Bild zu machen. Zunächst stand er ungelenk herum, ehe er der Bitte der Fotografen folgte, mal die Arme zu heben. Ein weiteres Beispiel für täuschende Bilder lieferte im Wahlkampf die Berliner SPD-Abgeordnete Eva Högl bei einem Termin mit Martin Schulz. Während er Terror-Opfern von Barcelona kondolierte, stand sie feixend dahinter. Sie hatte nicht mitbekommen, um was es vorne ging und nur einen Bekannten begrüßt. Oft ist der Zusammenhang für die Bewertung entscheidend. Angela Merkel (CDU) hat den Satz „Das Internet ist für uns alle Neuland“ zwar 2013 tatsächlich gesagt. Eine digitale Analphabetin ist die Kanzlerin trotzdem nicht. Es ging um neue Bedrohungen der internationalen Sicherheit. Bekanntestes Beispiel ist Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegen Erdogan. Jeder Satz ist eine zotige Beleidigung. Der Kontext aber ist Satire und Protest gegen Zensur.

Umgekehrt entlarvt der Zusammenhang Björn Höckes Ausrede, er habe mit der Bezeichnung „Mahnmal der Schande“ für das Holocaust-Mahnmal in Wahrheit gemeint, dass die Judenvernichtung „eine Schande für unser Volk“ sei. Wer die Dresdner Ansprache des AfD-Rechtsauslegers komplett hört, weiß, dass das eine Lüge ist. Alexander Gauland beklagte sich gestern, im Vergleich zu Nahles werde er für den Satz, die AfD wolle die Regierung „jagen“, über Gebühr kritisiert. Das sei doch nur „metaphorisch“ gemeint gewesen. Ähnlich hatte Gauland schon seine Aufforderung, man solle Integrationsministerin Aydan Özoguz (SPD) „nach Anatolien entsorgen“, erklärt. Freilich offenbart der Zusammenhang hier, dass es noch schlimmer war. Erst belustigte sich Gauland bei seiner Rede im Eichsfeld über den türkischen Namen der Ministerin, dann forderte er: „Ladet sie mal ins Eichsfeld ein, und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Das war eine Mischung aus purem Rassismus und Drohung.

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