Studie Altersarmut sorgt für Alarm im Wahlkampf

Berlin/Gütersloh · Wegen Teilzeit- oder Leiharbeit droht eine Armutswelle bei Neu-Rentnern, warnt eine neue Studie.

 Arm im Alter – das Problem ist nicht neu. Aber es wird sich verstärken, sagt die Bertelsmann-Stiftung: Weil viele nicht mehr regulär beschäftigt sind.

Arm im Alter – das Problem ist nicht neu. Aber es wird sich verstärken, sagt die Bertelsmann-Stiftung: Weil viele nicht mehr regulär beschäftigt sind.

Foto: dpa/A3464 Rainer Jensen

() „Das Alters­armutsrisiko steigt weiter“, warnt die Bertelsmann-Stiftung gestern. Es ist keine ganz neue Erkenntnis, die da aus Gütersloh kommt, 400 Kilometer von Berlin entfernt. Doch in Deutschland ist Wahlkampf, und so zeigt man sich im Regierungsviertel der Hauptstadt sofort alarmiert. Wie sieht die renommierte Stiftung die Lage der künftigen Rentner? Und wer in der politischen Arena hat da die besten Rezepte parat?

Wer ein Leben lang arbeitet und ordentlich verdient, braucht sich auch in den kommenden Jahren nur wenig Sorgen über seine Rente zu machen. Die Bertelsmann-Stiftung sieht die Risiken anderswo – bei all denen mit befristeten Verträgen, in Teilzeit, bei jenen, die bei Leih- oder Zeitarbeitsfirmen angestellt sind. Die Experten sehen die Risiken bei Geringverdienern, bei alleinstehenden Frauen, Niedrigqualifizierten und Langzeitarbeitslosen.

Unterm Strich kommt die Stiftung zu einem beunruhigenden Befund: Von Altersarmut bedroht ist in knapp 20 Jahren jeder fünfte Neurentner. Denn ein Arbeitsleben ohne größere Brüche und mit durchgängig anständigem Lohn sei immer weniger Normalität. Gewerkschaften und Sozialverbände reagieren prompt. Sie hätten ja schon lange gewarnt – nun müsse die Politik handeln. Und auch die Bertelsmann-Stiftung ist nicht zimperlich. Diskutiert die Politik nicht bereits permanent die Zukunft der Rente? Schon. Aber die aktuellen Reformdebatten, so Bertelsmann-Arbeitsmarktexperte Christof Schiller, „gehen oft an der Wirklichkeit vorbei“. So würden Diskussionen um eine Stabilisierung des Rentenniveaus Risikogruppen nicht weiterhelfen. Prekär Beschäftigte könnten ja schon während der Berufsjahre oft nur schlecht von ihrem Gehalt leben – umso weniger dann von der Rente.

Am meisten Aufmerksamkeit mit einem Rentenkonzept zog im Wahlkampf die SPD auf sich. Die SPD verspricht: Eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent und eine Begrenzung des Beitragssatzes bei 22 Prozent bis 2030 sowie eine Solidarrente mit Bezügen von 10 Prozent über der Grundsicherung nach mindestens 35 Jahren Einzahlung. Jetzt sieht sich Nahles von Bertelsmann bestätigt: „Wir brauchen einen neuen Generationenvertrag, der frühzeitig ansetzt, um Altersarmut zu verhindern.“ Die SPD-Frau, ganz im Wahlkampfmodus, teilt voll gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus: „Die Weigerung von Frau Merkel, ein Konzept für eine verlässliche Rente der Zukunft vorzulegen, hat dramatische Konsequenzen für eine wachsende Anzahl von Menschen.“

Das Gegenbild fächert die Union bei einem Rentenkongress in ihrem Fraktionssaal im Reichstagsgebäude auf. Dort gilt es, die Merkel-Linie zu untermauern, nach der die Rente bis 2030 stabil und finanziell gut aufgestellt ist. Der aus Altersgründen ausscheidende CDU-Arbeitsmarktexperte Karl Schiewerling etwa stellt die Fähigkeit der Ökonomen in Frage, mit ihren Modellen die Rente in 20 Jahren vorhersagen zu können. Fressen Digitalisierung und technische Neuerungen tatsächlich so viele normale Jobs wie vielfach befürchtet? „Wir wissen im Moment nicht, wie die Digitalisierung weiter fortschreitet“, wendet Schiewerling ein, „bisher war es so, dass wir bei jedem technischen Fortschritt hinterher nicht weniger Arbeit hatten, sondern mehr – das wird immer nur so angenommen, tritt aber nicht so ein.“ Wenn das so käme, bestünden wohl auch viele Prognosen zur Altersarmut nicht den Realitätstest. Problemgruppen identifiziert indes auch die Union, und will sich kümmern – etwa um Selbstständige. Bei dieser Gruppe sieht auch die Deutsche Rentenversicherung Reformbedarf.

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