Alles "Geschwätz" und "Propaganda"

Rom. Petrus spielte nicht so richtig mit. Und das gelbweiße Meer der Narzissen, Osterglocken und Hyazinthen auf dem Petersplatz überdeckte die Sorgen des Vatikans und vieler Gläubiger nur kurz: Zu der frohen Botschaft vom auferstandenen Jesus gesellten sich an Ostern erneut die internationalen Schlagzeilen vom Skandal um sexuellen Missbrauch. Obwohl Papst Benedikt XVI

Rom. Petrus spielte nicht so richtig mit. Und das gelbweiße Meer der Narzissen, Osterglocken und Hyazinthen auf dem Petersplatz überdeckte die Sorgen des Vatikans und vieler Gläubiger nur kurz: Zu der frohen Botschaft vom auferstandenen Jesus gesellten sich an Ostern erneut die internationalen Schlagzeilen vom Skandal um sexuellen Missbrauch. Obwohl Papst Benedikt XVI. auf das dunkle Kapitel in seiner sonntäglichen "Urbi-et-Orbi"-Botschaft nicht zurückkam: Der Vatikan setzt die Gegenoffensive fort, schließt die Reihen und stellt sich demonstrativ hinter den Pontifex - so versucht Rom einen Befreiungsschlag. Da war zum einen der überraschende Auftritt des Kardinals Angelo Sodano, der dem deutschen Kirchenoberhaupt den Rücken stärkte. Weil Benedikt in den vergangenen Wochen persönlich angegriffen worden war, brach der Dekan des Kardinalkollegiums mit dem Protokoll der Zeremonie - und verlas eine Solidaritätsadresse an den Papst: "Das Volk Gottes ist mit Ihnen und wird sich nicht von dem Geschwätz des Moments beeindrucken lassen", sagte Sodano vor der weltweit im Fernsehen übertragenen Ostermesse. Am Palmsonntag hatte Benedikt selbst aufgerufen, "sich vom Geschwätz der vorherrschenden Meinung nicht einschüchtern zu lassen". In genau dasselbe Horn stieß am gleichen Tag und noch offener die Vatikanzeitung "Osservatore Romano": "Eine grobe Propaganda gegen den Papst und gegen die Katholiken" sei angezettelt worden. Und es folgte eine Sammlung weltweiter Solidaritätsbezeugungen, die sich jetzt im Vatikan stapelten - gerichtet gegen die "verleumderischen Angriffe und die Diffamierungskampagne, die um das Drama der Fälle sexuellen Missbrauchs herumkonstruiert wurden". Die Vergehen in katholischen Einrichtungen gesteht das Vatikanblatt "schmerzlich ein", wobei kein Einschüchterungsversuch von der Pflicht ablenken könne, Klarheit zu schaffen. Der vatikanische Grundtenor ist dieser: Keiner habe so resolut gehandelt, um die abscheulichen Sexualdelikte in der katholischen Kirche aufzuklären und zukünftigen Fällen vorzubeugen wie Joseph Ratzinger, und das schon in seiner Zeit als Präfekt der mächtigen Glaubenskongregation. Bereits vor Ostern kam eine Breitseite aus dem Vatikan gegen die "New York Times", die aus römischer Sicht wider besseres Wissen den heutigen Pontifex in einen US-Missbrauchsfall hineinziehen wolle. Gern wird am Tiber auch der Pariser Oberhirte André Vingt-Trois zitiert, der in einer Ostermesse in der Notre Dame den Medien vorwarf, eine Offensive gestartet zu haben, "um den Papst zu destabilisieren und über ihn die katholische Kirche". Manchen Klotz bindet sich der Vatikan allerdings selbst ans Bein. Als Benedikts Hausprediger Raniero Cantalamessa in der Karfreitags-Liturgie die Attacken auf Papst und Kirche mit dem Antisemitismus zu vergleichen schien, tat sich sofort eine neue Front auf. Aus Italien, den USA und Israel hagelte es Kritik an dem, was der Prediger zum Antisemitismus aus dem Brief eines jüdischen Freundes vorgelesen hatte. Kaum mehr als ein Jahr nach dem heftigen Streit um die Wiederannäherung der Kirche an die Pius-Brüder mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson lagen die Spannungen zwischen der katholischen Kirche und der jüdischen Seite wieder offen zutage. Der Vatikan distanzierte sich, Cantalamessa entschuldigte sich. Der Papst habe vom Inhalt der Predigt nichts gewusst. Bleibt der Fauxpas. Ein unruhiges Osterfest also, kein fröhliches.

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