Nach Volksentscheid Alles auf Anfang beim Flughafen Tegel?

Berlin · Nach dem erfolgreichen Volksentscheid für den Weiterbetrieb macht die Opposition Druck.

 Früher das Tor zur Freiheit, heute Gegenstand politischer Streitereien: Berlins Flughafen Tegel.

Früher das Tor zur Freiheit, heute Gegenstand politischer Streitereien: Berlins Flughafen Tegel.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

(dpa/afp) Mit deutlicher Mehrheit haben die Berliner für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel gestimmt. Nach Auszählung aller Wahlbezirke am frühen Montagmorgen kamen die Befürworter der Offenhaltung amtlichen Angaben zufolge auf 56,1 Prozent der Stimmen. Der von der FDP initiierte Volksentscheid fordert, den Flughafen nach Eröffnung des Hauptstadt-Airports BER weiterhin zu nutzen. Wie geht es nun weiter?

Wofür wurde nun beim Volksentscheid gestimmt?

Der Berliner Senat wurde aufgefordert, „sofort die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern“.

Ist der Senat an das Votum gebunden?

Rechtlich nicht. Berlin könne bei dem Thema gar nicht alleine entscheiden, und die anderen Gesellschafter hätten die Vereinbarungen nie in Frage gestellt, erklärte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Das heißt, die Abstimmung ist bedeutungslos?

Keinesfalls. Das Votum ist eine empfindliche Niederlage für die rot-rot-grüne Koalition, die seit gut neun Monaten am Ruder ist. Sie kann es auch deshalb nicht ignorieren, weil sie sich mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben hat.

Und wie geht der Senat nun vor?

Müller kündigte an, zügig auf den Bund und Brandenburg zuzugehen, um auszuloten, ob diese ihre Position zu Tegel überdenken wollen. Er werde „sehr schnell“ Briefe an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) schreiben, sagte Müller gestern nach einem Treffen des Koalitionsausschusses. Zudem hätten die Anteilseigner ohnehin vereinbart, nochmals juristische Prüfungen vorzunehmen. Ob sich aus diesem Prozess eine neue Sachlage für Tegel ergibt, darf aber bezweifelt werden. „Für mich ist die rechtliche Lage nach dem Volksentscheid keine andere als vor dem Volksentscheid“, betonte Müller. Auch die Koalition insgesamt wackelt in der Frage nicht.

Wie argumentiert der Senat?

Er verweist auf den Lärmschutz für 300 000 Berliner, Sicherheitsbedenken und Chancen für die Entwicklung der Stadt. Auf dem Areal sollen 9000 Wohnungen, ein Forschungs- und Technologiepark mit bis zu 20 000 Jobs und ein großer Park entstehen. Auch hohe Kosten werden ins Feld geführt: Allein eine umfassende Tegel-Sanierung würde laut Senat mit einer Milliarde Euro zu Buche schlagen. Für Lärmschutzmaßnahmen kämen weitere 400 Millionen Euro dazu. Die Tegel-Befürworter halten die Zahlen für zu hoch gegriffen.

Und was sagt die Opposition?

Sie unterstreicht, dass die Politik einmal gefasste Beschlüsse sehr wohl revidieren könne. CDU, FDP und AfD sehen einen „unmissverständlichen Auftrag“ an den Senat und forderten diesen auf, das Votum nun zügig umzusetzen. „Berlin und die Berliner brauchen und wollen die Offenhaltung von Tegel“, sagte CDU-Fraktionschef Florian Graf. „Dieses Votum der Bürger kann nicht einfach ignoriert werden“, mahnte FDP-Kollege Sebastian Czaja.

Warum wollen die Tegel-Befürworter den Airport offenhalten?

Nach ihrer Einschätzung wird der alte Flughafen im Nordwesten der Hauptstadt auch nach dem BER-Start weiter gebraucht. Anders seien die steigenden Passagierzahlen nicht zu bewältigen.

Wie eng wird es am BER?

Der BER wurde für 27 Millionen Passagiere gebaut und soll zunächst mit 22 Millionen starten. Er ist also angesichts der Passagierzahlen 2016 – 21,3 Millionen in Tegel und 11,7 Millionen in Schönefeld – schon vor Eröffnung zu klein. Die Flughafengesellschaft setzt daher auf Provisorien sowie einen schrittweisen Ausbau. Ein kürzlich vorgelegter „Masterplan“ sieht Investitionen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro vor, um die Kapazität bis 2035 auf 55 Millionen Passagiere zu erhöhen.

Spielten beim Votum noch andere Gründe eine Rolle?

Nach gut vier Jahrzehnten als Verkehrsflughafen ist TXL vielen Berlinern ans Herz gewachsen. Zu Zeiten der Teilung galt der Flughafen im eingemauerten Westen der Stadt als Tor zur Freiheit.

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