Ahmadinedschad abgestraft

Teheran. Das offizielle Endergebnis der iranischen Parlamentswahl steht noch aus, doch soviel scheint klar zu sein: Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist der große Verlierer der Wahl. Ein Bündnis von konservativen Gegnern des Präsidenten führt nach Auszählung von 90 Prozent aller Stimmen mit einer knappen Dreiviertelmehrheit

Teheran. Das offizielle Endergebnis der iranischen Parlamentswahl steht noch aus, doch soviel scheint klar zu sein: Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist der große Verlierer der Wahl. Ein Bündnis von konservativen Gegnern des Präsidenten führt nach Auszählung von 90 Prozent aller Stimmen mit einer knappen Dreiviertelmehrheit. Ein überwältigender Sieg der sogenannten Prinzipalisten wird auch bei der noch folgenden Stichwahl immer wahrscheinlicher. "Diese Wahlen waren zuallererst eine interne politische Abrechnung zwischen den konservativen Fraktionen", sagt ein politischer Beobachter in Teheran. "Und Ahmadinedschad wurde von seinen Rivalen niedergeschmettert."Für die Politik des Landes sind die Parlamentswahlen nicht wichtig. Die konservative Fraktion dominierte schon bis jetzt das Parlament. Das hat aber kaum Einfluss, vor allem nicht auf die Außenpolitik und den heiklen Atomstreit mit dem Westen. Wichtige Entscheidungen werden vom religiösen Führer und Staatsoberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei, und seinen Beratern getroffen.

Doch die erste Abstimmung seit Ahmadinedschads umstrittener Wiederwahl im Jahr 2009 war ein wichtiger Test für den Präsidenten. Ahmadinedschad habe das Vertrauen und die Unterstützung seiner Verbündenten verloren, sagt eine ehemaliger Reformpolitiker. "Der Druck auf Ahmadinedschad kommt nun nicht mehr nur aus dem Ausland, sondern auch von Zuhause." Nach offiziellen Angaben lag die Wahlbeteiligung am Freitag bei rund 64 Prozent. Das ist hoch für iranische Verhältnisse. Die Opposition bezweifelt jedoch diese Angaben. Die Führung betrachtet eine hohe Wahlbeteiligung als Zeichen der Loyalität dem Regime gegenüber. Selbst wenn die Zahlen korrekt seien, müsste Ahmadinedschad die 36 Prozent der Daheimgebliebenen als 17 Millionen Stimmen gegen ihn werten, meinen Beobachter.

Die Differenzen des Präsidenten mit den Prinzipalisten, die großen Wert auf ihre Loyalität der religiösen Führung gegenüber legen, bahnten sich zunächst in der Wirtschaftspolitik an. Versprochene Reformen, die Ahmadinedschads Unterstützer in der Mittelschicht und ärmeren Bevölkerungsgruppen entlasten sollten, schlugen fehl oder wurden erst gar nicht umgesetzt.

Später kamen politische und ideologische Unterschiede hinzu. Engen Beratern des Präsidenten wurde vorgeworfen, die religiöse Dimension des Staates zu untergraben und stattdessen einen Nationalismus zu fördern. "Die Ultrakonservativen sahen dies als ersten Schritt zum Säkularismus und den Anfang vom Ende für die religiösen Führer", sagt ein ausländischer Diplomat in Teheran.

Die Wahlen vom Freitag waren nur der Auftakt für den politischen Machtkampf. Der große Showdown werde für die Präsidentenwahl im Juni 2013 erwartet, erklärt ein iranischer Journalist. "Das Problem ist nicht mehr nur Ahmadinedschad, sondern auch seine Ideologie", fügt ein Beobachter hinzu. Ahmadinedschad kann nach zwei Amtszeiten nicht unmittelbar ein drittes Mal antreten. Viele Konservative befürchten jedoch ein Putin-Manöver: Ein Strohmann könnte für Ahmadinedschad den Platz vier Jahre lang warm halten. Nach dieser Pause dürfte sich Ahmadinedschad wieder der Wahl stellen. Esfandir Rahim-Maschaei soll laut Beobachtern Ahmadinedschads absoluter Wunschkandidat sein. Er ist nicht nur der oberste Berater des Präsidenten, sondern zugleich der Schwiegervater von Ahmadinedschads Sohn. Rahim-Maschaei gilt unter den Konservativen als Anführer des "Abweichler"-Flügels, der aus Sicht seiner Kritiker die traditionelle Dominanz des Klerus in dem Gottesstaat untergraben will.

Parlamentspräsident Ali Laridschani war früher ein politischer Verbündeter des Präsidenten. Heute ist er der Anführer der Ahmadinedschad-Gegner. Der 53-Jährige gilt jetzt als aussichtsreichster Kandidat der Konservativen für die Wahl 2013. Den früheren Atom-Chefunterhändler trennen tiefe ideologische Gräben von Mahmud Ahmadinedschad. "Ihre früher geheim gehaltende Feindschaft ist zu einem offenen Geheimnis geworden, das sich nicht länger verstecken lässt", meinte ein iranischer Journalist.

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