Ärger mit Ansage

Tel Aviv/Brüssel · Die EU will Israel verpflichten, die besetzten Gebiete künftig aus gemeinsamen Verträgen auszuklammern. Ein Sturm der Entrüstung ist die Folge. Dabei ist der Vorstoß aus Brüssel nicht ganz neu.

Das bisweilen schwierige Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Israel hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Grund ist eine EU-Regel, die die Förderung israelischer Siedlungen in den 1967 im Sechstagekrieg eroberten Gebieten ausschließt. Dass die EU im Einklang mit vielen anderen Staaten diese Siedlungen für illegal hält und sie auch nicht unterstützen will, ist nicht neu. Angekündigt hatten die EU-Außenminister das im Dezember.

Dass die Regierung in Jerusalem jetzt aber die Sonderregelung in jeder Vereinbarung unterschreiben soll, ist für viele Israelis schlicht inakzeptabel. Sie sollen darin zustimmen, dass das Westjordanland, die annektierten Golanhöhen und vor allem Ost-Jerusalem als Teil ihrer Hauptstadt nicht zu Israel gehören. Aus dem Gazastreifen hatten sich die Israelis vor acht Jahren zurückgezogen.

Für Israel geht es um viel. In den vergangenen viereinhalb Jahren hat die EU für Forschungsprogramme mehr als 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, teilte die EU-Botschaft in Jerusalem mit. In israelischen Medienberichten wurde die Sorge geäußert, dass insgesamt hunderte von Millionen Euro an Fördergeldern aus Europa verlorengehen könnten.

Eine Sprecherin der Brüsseler Außenbeauftragten Catherine Ashton versuchte gestern, die Gemüter zu beruhigen. "Es ist kein neuer Ansatz. Es schafft nur mehr Klarheit. Es gab eine kleine Anzahl von Fällen, wo die Ausklammerung der Siedlungen nicht garantiert war", erklärte sie. Das Europaparlament habe auf diese Deutlichkeit gedrungen. Sandra de Waele von der EU-Botschaft in Jerusalem fügte im israelischen Rundfunk hinzu, die neue Regelung drücke natürlich auch "Frustration über den Ausbau der Siedlungen" aus. Wie sich die härtere Gangart der EU auf die schwierigen Friedensbemühungen von US-Außenminister John Kerry auswirkt, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Ganz negativ, meint Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. "Das verhärtet die palästinensische Position, und es bringt Israel dazu, den Glauben an die Neutralität Europas zu verlieren", sagte er. Die Entscheidung der EU, israelische Bürger, Institutionen und Firmen, die in den besetzten Gebieten ansässig sind, von Verträgen mit der EU ausdrücklich auszuschließen, sei der "Versuch, Israels Grenzen durch wirtschaftlichen Druck zu erzwingen anstatt durch Verhandlungen". Die EU untergrabe damit Kerrys Bemühungen, der zurzeit in Jordanien Gespräche über die Möglichkeit der Wiederaufnahme der seit drei Jahren blockierten Friedensgespräche führt.

Ganz anders klang das in der liberalen Zeitung "Haaretz". Der Druck der Europäer komme gerade recht, deutete ein ungenannter US-Vertreter an. "Die Europäer lassen uns noch Zeit und ermöglichen es uns, die Bemühungen zur Wiederaufnahme der Gespräche fortzusetzen", wurde ein Mitglied der US-Verhandlungsdelegation zitiert. "Aber wenn wir keinen Erfolg haben sollten, dann werden die Europäer andere Seiten aufziehen", habe er hinzugefügt. Als mögliche weitere Daumenschrauben nannte er eine Kennzeichnungspflicht in der EU über die Herkunft von Waren aus Siedlungen und die Einführung einer EU-Visumspflicht für israelische Siedler.

Aber nicht nur Befürworter einer Annexion des Westjordanlandes gingen auf die Barrikaden. Finanzminister Jair Lapid geißelte die neue Direktive als "miserabel". Sie sabotiere Kerrys Bemühungen, weil sie den Palästinensern signalisiere, dass sie für die Verweigerung von Verhandlungen keinen Preis zu zahlen hätten und Israel zur Kapitulation gezwungen werden könne.

Erwartungsgemäß schrill waren die Reaktionen im Siedlerlager selbst. Der frühere Chef des Siedlerrates im Westjordanland, Danni Dajan, verglich die EU-Direktive mit den Zeiten des Holocausts: "Wie wird die Selektion von Jugenddelegationen vorgenommen werden? Wird ein Deutscher sagen: Tel Aviv nach links, Ost-Jerusalem nach rechts?" Deutlich wurde auch Wirtschaftsminister Naftalie Bennett. Er nannte die EU-Regeln ein "wirtschaftliches Terror-Attentat".

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