Abschied vom Waldsterben

Saarbrücken. Für die Umweltverbände ist die Sache noch längst nicht gegessen. "Der Wald lebt - noch! Aber es geht ihm zunehmend schlechter", urteilt Umweltschutzorganisation Robin Wood und will "deutlich machen, dass der Wald nicht so schnell wegstirbt, wie Anfang der 80er Jahre noch viele befürchtet hatten"

Saarbrücken. Für die Umweltverbände ist die Sache noch längst nicht gegessen. "Der Wald lebt - noch! Aber es geht ihm zunehmend schlechter", urteilt Umweltschutzorganisation Robin Wood und will "deutlich machen, dass der Wald nicht so schnell wegstirbt, wie Anfang der 80er Jahre noch viele befürchtet hatten". Wenn der Trend bei den Laubbäumen anhalte, dann lasse sich hochrechnen, "dass bereits in wenigen Jahren wohl keine völlig ungeschädigte Buche oder Eiche mehr zu finden sein wird", sagt der Biologe Rudolf Fenner, Waldexperte bei Robin Wood. Der Begriff des Waldsterbens sei "aktueller denn je", sagt auch Helmut Klein, waldpolitischer Sprecher des Umweltverbandes BUND. Bloß treffe der Begriff in den Medien "auf wenig Resonanz, denn eine schleichende Katastrophe ist scheinbar keine". Nicht nur steht für den Biologen fest, "dass die Wälder in Deutschland krank sind". Auch die Bäume ohne sichtbare Schäden seien "seriöser Weise nicht als 'gesund' einzustufen", befindet Klein. "Sie können zahlreiche schwere Schäden oder Krankheiten haben, die im Rahmen der amtlich durchgeführten Erhebung der Kronendichte - auch mit einem Fernglas - nicht erkennbar sind."Doch wie steht es um die deutschen Forsten heute tatsächlich - ein Vierteljahrhundert nach den ersten Erhebungen zum Waldzustand 1983 und dem ersten Waldschadensbericht 1984 in der alten Bundesrepublik? "Wir sprechen nicht mehr von Waldsterben, weil das dem Zustand unserer Wälder absolut nicht gerecht würde", sagt der Forstwissenschaftler Eberhard Aldinger, Leiter der Abteilung Waldökologie bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg. Der Wald werde auch künftig nicht sterben. "Es ist keine Gefahr im Verzuge" urteilt Aldinger. "In Hinsicht auf sein Laub- oder Nadelkleid kann ein Wald nie zu hundert Prozent gesund sein." Dazu unterliege er zu vielen äußeren Einflüssen, die noch dazu häufig wechseln. "Mit den jährlichen und periodischen Schwankungen müssen wir uns abfinden." Die Frage ist nur, warum damals die Wogen derart hochschlugen. "Die Bedeutung der Luftschadstoffe für den Zustand der Wälder wurde in der öffentlichen Diskussion der 1980er Jahre stark überbewertet", sagt Aldinger. "Vielmehr ist ein ganzer Komplex aus Einflüssen verantwortlich zu machen - angefangen von Nähr- und Schadstoffeinträgen über die jeweilige Witterung und den Klimawandel bis hin zu Baumschäden, etwa durch Insekten oder Pilze." Die Kronenverlichtung bezeichnet der Forstfachmann zwar durchaus für einen "Indikator für den Waldzustand", doch sie sei "ein so unscharfer, dass man daraus keinen Schluss auf die Ursache der Blatt- oder Nadelverluste ziehen kann." Das von Umweltverbänden gelegentlich vorgetragene Argument, Waldbäume würden durch ein Zuviel an Nährstoffeinträgen ähnlich fehlernährt wie ein Kind, das nur Schokolade zu essen bekommt, ist Aldinger zufolge nicht korrekt. "Aber genauso falsch ist, dass es Bäumen schon deshalb gut geht, weil sie stark wachsen." Breitere Jahresringe könnten die Folge davon sein, dass es mehr als früher regnet und die Winter milder und kürzer geworden sind. "Durch das zeitiger einsetzende Frühjahr treiben die Bäume ihr Laub früher aus und produzieren deshalb länger Biomasse", sagt der Forstwissenschaftler Professor Jürgen Bauhus, Leiter des Instituts für Waldbau an der Universität Freiburg. Für ihn hatte der Rummel um den angeblich sterbenden Wald seit den 80er Jahren auch sein Gutes. Zum einen habe "die damals losgetretene Forschung unseren Kenntnisstand erheblich erweitert". Positiv - auch wegen der volkswirtschaftlichen Effekte - sei zweitens die Verordnung zur Rauchgasentschwefelung von Großkraftwerken und die Kalkung der Wälder gewesen. "Es ist keine Gefahr im Verzuge."Forstwissenschaftler Eberhard Aldinger

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