Abschied vom Rampenlicht

Berlin · Monatelange Spekulationen um seine Zukunft haben ein Ende: Berlins Regierender Bürgermeister zieht sich aus der Politik zurück. Klaus Wowereit kämpft mit den Tränen, als er für Dezember seinen Abschied ankündigt.

 Diesen denkwürdigen Moment wollten viele festhalten: Klaus Wowereit erscheint zur Pressekonferenz im Roten Rathaus, wo er seinen Rückzug aus der Politik ankündigt. Fotos: Brakemeier/dpa; Kumm/dpa; Carstenden/dpa (2); Altwein/dpa

Diesen denkwürdigen Moment wollten viele festhalten: Klaus Wowereit erscheint zur Pressekonferenz im Roten Rathaus, wo er seinen Rückzug aus der Politik ankündigt. Fotos: Brakemeier/dpa; Kumm/dpa; Carstenden/dpa (2); Altwein/dpa

Am Tag, als nach dem WM-Sieg die Fußballnationalmannschaft auf der Berliner Fanmeile erwartet wurde, konnte man einen sichtlich entspannten Klaus Wowereit erleben. Ein Foto hier, eine Umarmung mit den Fans dort. Damals im Juli streuten die Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters, Wowereit habe sich gefangen, er genieße wieder das Bad in der Menge. Wahr ist aber auch: Da war die Entscheidung schon gereift. Klaus Wowereit geht, nach 13 Jahren im Amt schmeißt der Polit-Dino die Brocken hin.

Um 13.06 Uhr verkündete der SPD-Mann gestern im Roten Rathaus seinen Entschluss. Schnodderig wie immer, gelassen, sogar zu Späßen aufgelegt. Viel sei zuletzt über seine politische Zukunft spekuliert, "aber auch schwadroniert" worden, so Wowereit. Diese Diskussion sei aus den Reihen der eigenen Partei mitbefördert worden und habe Schaden für eine "effektive Regierungsarbeit" verursacht. Deshalb habe er dem Senat mitgeteilt, "dass ich mein Amt zum 11. Dezember zur Verfügung stelle". Ein Paukenschlag.

Es klang ganz so, als wollte sich da einer das Heft nicht ganz aus der Hand nehmen und vom Hof jagen lassen. Eigentlich wollte der Lebemann erst 2015 seine Entscheidung über seine politische Zukunft bekannt geben. Doch die Nachfolge-Debatte hielt die Stadt und die hiesige SPD bereits seit Monaten in Atem. Intrigen, Indiskretionen, Machtkämpfe - die Berliner Genossen, die seit 25 Jahren an der Spree mal als Juniorpartner, mal als führende Kraft regieren, boten zuletzt ein schlimmes Bild. Auch im Umgang mit Wowereit. Das ging nicht spurlos an ihm vorbei. "Ich habe mir erlaubt, auch mal an mich zu denken", betonte er gestern. Am Ende seiner Erklärung musste der Ur-Berliner gar mit den Tränen kämpfen, als er sagte: "Ich liebe diese Stadt, so wie sie ist."

Das beschreibt jedoch auch indirekt das größte Problem des 60-Jährigen: Berlin hat ihn zuletzt nicht mehr gemocht. Nach seinem Amtsantritt 2001 hieß Klaus Wowereit "Regierender Partymeister" - keine Feier ohne "Wowi". Den Negativ-Titel konnte das Stadtoberhaupt in den letzten Jahren nur mühsam abstreifen. Aber inzwischen hängt dem SPD-Mann ein anderer, ebenso wenig schmeichelhafter Ruf nach: "Sonnenkönig", spotteten seine Gegner immer lauter, und Parteifreunde stimmten dem klammheimlich zu. Es hieß, er habe das Gefühl für die Stadt verloren, sei abgehoben, zu barsch und zu desinteressiert an den politischen Themen der Hauptstadt. Vor allem das Debakel um den nicht fertigen Großflughafen Berlin-Brandenburg hat an ihm, an seinen Nerven und an seinem Ruf gezerrt. Das Desaster im Märkischen Sand hängt an Wowereit wie ein Mühlstein. Es sei eine der "größten Niederlagen", räumte er gestern ein. Er bedauere dies "unendlich". Aber es sei halt immer einfacher, "wenn man Erfolg hat, dann sind sie alle da".

Verbitterung war da rauszuhören, auch darüber, dass seine Arbeit zuletzt nur noch auf das Flughafen-Chaos reduziert wurde. Dem Mann, der sich auch mal als SPD-Kanzlerkandidaten gesehen haben soll, wollte allerdings auch kaum mehr etwas gelingen. Seine persönlichen Umfragewerte und die der SPD rutschten in den Keller. Schon Ende 2010 soll Wowereit zudem nicht mehr so richtig Lust gehabt haben, Bürgermeister von Berlin zu sein. Es gab aber kein lukratives Jobangebot aus der Wirtschaft.

Nun geht er also, der prominente Sozialdemokrat und dienstälteste Ministerpräsident. Mit Raed Saleh als Fraktionschef und Jan Stöß als Landesvorsitzendem rangeln zwei Genossen seit Längerem um die Nachfolge Wowereits, Stöß hat die deutlich besseren Karten. Er werde jetzt abwarten, wie sich die "Kandidatenlage" entwickle, so Wowereit süffisant. Glaubt er doch genau zu wissen: Einen neuen "Wowi" sucht man bei der Berliner SPD vergebens.

 Klaus Wowereit in schriller Begleitung auf der Parade beim Christopher Street Day.

Klaus Wowereit in schriller Begleitung auf der Parade beim Christopher Street Day.

 Flotte Sohle mit Blondine: Wowereit hatte lange einen Ruf als „Regierender Partymeister“ weg.

Flotte Sohle mit Blondine: Wowereit hatte lange einen Ruf als „Regierender Partymeister“ weg.

Zum Thema:

Rückschau
Wichtige Stationen in Klaus Wowereits Leben:1953: Am 1. Oktober geboren als außerehelicher Sohn einer Putzfrau; wächst mit vier Geschwistern in Lichtenrade am West-Berliner Stadtrand auf.1972: Eintritt in die SPD . Wowereit nennt Willy Brandt als Leitfigur.1973-1979: Jura-Studium in Berlin . Zwei Jahre danach zweites Staatsexamen. Den Berufswunsch Richter lässt Wowereit zugunsten der Politik fallen.1981: SPD-Fraktionschef in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Tempelhof.1995: Nach der Wahl ins Abgeordnetenhaus Vize-Fraktionschef und Haushaltspolitiker.1999: Fraktionsvorsitz.10. Juni 2001: Wowereit bekennt sich zu seiner Homosexualität.16. Juni 2001: Wahl zum Regierenden Bürgermeister. Nachdem die SPD die schwarz-rote Koalition hat platzen lassen, wechselt sie in eine rot-grüne Minderheitsregierung. 17. Januar 2002: Nach der Abgeordnetenhauswahl regiert Wowereit mit der PDS . Mit ihr leitet er einen Sparkurs ein.2009-2013: Stellvertretender SPD-Vorsitzender. Wowereit werden Ambitionen auf das Kanzleramt nachgesagt.24. November 2011: Nach der Wahl wechselt Wowereit in eine rot-schwarze Koalition mit der CDU.8. Mai 2012: Kurzfristige Absage des Eröffnungstermins für neuen Hauptstadtflughafen. dpa

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