700 Millionen Euro gegen den Pflege-Notstand im Land

Berlin. Die professionelle Pflege der Patienten soll wieder zum zentralen Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung in den Krankenhäusern werden. Darauf verständigten sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Spitzenvertreter der Pflegeberufe, Ärzte, Kliniken und Krankenkassen beim zweiten Pflegegipfel gestern in Berlin

 Eine Schwester nimmt einem Patienten ein Trinkgefäß ab. Die Bedeutung des Pflegepersonals hat die Politik lange vernachlässigt. Foto: dpa

Eine Schwester nimmt einem Patienten ein Trinkgefäß ab. Die Bedeutung des Pflegepersonals hat die Politik lange vernachlässigt. Foto: dpa

Berlin. Die professionelle Pflege der Patienten soll wieder zum zentralen Bestandteil der gesundheitlichen Versorgung in den Krankenhäusern werden. Darauf verständigten sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Spitzenvertreter der Pflegeberufe, Ärzte, Kliniken und Krankenkassen beim zweiten Pflegegipfel gestern in Berlin. Vorgesehen ist, die anfallenden Kosten mittelfristig besser in den Klinik-Etats zu berücksichtigen sowie die Attraktivität der Pflegeberufe und die Pflegequalität zu steigern.

Nach Einschätzung des Deutschen Pflegerats hat sich die Pflege von Klinikpatienten radikal verschlechtert. Immerhin wurden in den letzten zehn Jahren rund 50 000 Pflegestellen in den Krankenhäusern gestrichen. Gleichzeitig nahm die Belastung des Pflegepersonals zu, weil auch immer mehr ältere Patienten betreut werden müssen.

Aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen ist das Problem weniger dramatisch. Durch Strukturveränderungen sei es schließlich auch zu einer Reduzierung der Liegezeiten in den Kliniken gekommen, lautet das Argument. Tatsächlich verbrachte ein Patient in den 1990er Jahren noch durchschnittlich zwei Wochen im Krankenhaus. Heute sind es etwa sieben bis acht Tage. Berücksichtigt man, dass ein Patient gerade in den Tagen nach der Operation den größten Pflegeaufwand verursacht, tut das jedoch wenig zur Sache.

Beim ersten Pflegegipfel im September 2008 willigten schließlich auch die Kassen ein, die Zahl der Pflegkräfte in den Kliniken deutlich aufzustocken. In der Vorwoche trat dazu ein Gesetz in Kraft, das die Einstellung von bundesweit 17 000 zusätzlichen Schwestern und Pflegern vorsieht. Das Programm kostet 700 Millionen Euro und ist auf drei Jahre befristet. Die Kassen tragen 90 Prozent der zusätzlichen Mittel. Den Rest erbringen die Krankenhäuser aus ihren laufenden Etats.

Der Erfolg des Programms hängt allerdings davon ab, ob sich genügend qualifiziertes Personal finden lässt. Die Krankenkassen hatten darauf gedrungen, dass die Pfleger eine dreijährige Ausbildung vorweisen müssen. Mit dem Geld sollen ausdrücklich keine ungelernten Hilfskräfte finanziert werden. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Pflegeberuf aber kaum attraktiv.

Chance auf Arbeit steigt

Im Durchschnitt würden die Pfleger schon nach fünf Jahren in Teilzeit gehen oder den Beruf wechseln. Auch Gesundheitsministerin Schmidt räumte gestern Missstände ein. Zwar gebe es genügend Bewerber, aber auch Probleme, einen geeigneten Job zu finden. Mit dem neuen Programm biete sich die Chance, "auch wirklich eingestellt zu werden", versicherte Schmidt.

Nach dem Willen der Gipfelteilnehmer soll die Rolle der Schwestern und Pfleger gegenüber dem Arzt aufgewertet werden. Zugleich wird eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf angestrebt. Außerdem sollen die Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung verbessert werden. Um ältere Pflegekräfte zu halten, sind mehr altersgerechte Arbeitsplätze vorgesehen. "Nur wenn wir es schaffen, die Attraktivität des Pflegeberufs zu sichern, wird es auch künftig den dringend nötigen Pflegekräftenachwuchs geben", so Schmidt.

Zur besseren Überprüfbarkeit der Pflegequalität soll in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser nicht nur wie bislang über die Zahl der Pfleger informiert werden, sondern auch über die Zahl der zu betreuenden Patienten und deren Pflegeaufwand. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) muss sich in Deutschland eine Pflegekraft um 20 Klinikpatienten kümmern. Im europäischen Durchschnitt sind es nur etwa zehn bis 13 Kranke, die von einer Person betreut werden.

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