348 Tage im Geist der Barmherzigkeit

Rom · So mancher Gläubiger blieb aus Angst vor Anschlägen lieber zu Hause, auch den Sicherheitsbehörden in Rom bereitete der gestrige Tag Kopfzerbrechen. Doch einer zeigte ich unbeeindruckt: Franziskus eröffnete trotz Warnungen sein Heiliges Jahr.

Papst Franziskus hat gestern im Vatikan ein außerordentliches Heiliges Jahr in der katholischen Kirche eingeweiht. Am Ende einer Messe auf dem Petersplatz vor etwa 70 000 Gläubigen öffnete der Papst die Heilige Pforte, die normalerweise nur alle 25 Jahre geöffnet wird. Das letzte Mal durchschritten Pilger die Heilige Pforte im Jahr 2000. Gestern war neben Franziskus auch der emeritierte Papst Benedikt XVI . anwesend.

Nachdem der amtierende Papst die Pforte geöffnet hatte und sie nach einem kurzen Gebet durchschritt, trat auch der 88-Jährige Josef Ratzinger, gestützt von Erzbischof Georg Gänswein, durch das normalerweise verschlossene Tor an der Nordfassade des Petersdoms. Das außerordentliche Heilige Jahr, das bis 20. November 2016 dauert, ist dem Thema der Barmherzigkeit gewidmet und wurde am 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Vatikanischen Konzils am 8. Dezember 1965 eingeweiht. In seiner Predigt erinnerte Franziskus an das Konzil, das unter dem Schlagwort der Erneuerung frischen Wind in die katholische Kirche bringen sollte. "Es war ein neuer Aufbruch, um auf jeden Menschen dort zuzugehen, wo er lebt", sagte Franziskus. Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit sei ein "missionarischer Impuls", der nach Jahrzehnten wieder aufgenommen werden solle.

Während der sogenannten Jubiläen in der katholischen Kirche sind die Gläubigen aufgerufen, bei einer Wallfahrt nach Rom die Heilige Pforte zu durchschreiten. Nach traditioneller Lehre erhalten die Pilger, wenn sie auch zur Beichte und zur Kommunion gegangen sind, dann einen besondere Erlass ihrer Sünden. Franziskus betonte in diesem Zusammenhang den Vorrang der Gnade: "Wir müssen die Barmherzigkeit dem Gericht voranstellen, und in jedem Fall wird das Gericht Gottes immer im Licht seiner Barmherzigkeit stehen." In den kommenden Tagen sollen in verschiedenen Kirchen in den Diözesen in aller Welt Heilige Pforten geöffnet werden.

Wegen der Sorge vor Terror anschlägen fand die Messe auf dem Petersplatz unter extremen Sicherheitsvorkehrungen statt. 2000 Polizisten und Soldaten waren im Einsatz. Wegen der Terrorangst reduzierte der Vatikan die Besucherprognose für das bis 20. November 2016 dauernde Heilige Jahr auf etwa zehn Millionen Pilger. Vor Monaten hieß es noch, über 30 Millionen Besucher würden nach Rom kommen.

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HintergrundDas Heilige Jahr ist ein Jubiläumsjahr in der katholischen Kirche. Es wird regulär alle 25 Jahre begangen. Ursprünglich als Jahrhundert-Ereignis gedacht, wurde es zunächst im Abstand von 50 und dann 33 Jahren wiederholt. Der Rhythmus von 25 Jahren besteht seit 1470. Zentrale Elemente wurden die Romwallfahrt, die Heilige Pforte und der Ablass. Zum Ritual gehörte der Besuch bestimmter Kirchen in Rom . dpa

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