Münster/Saarbrücken 2,5-Prozent-Klausel verfassungswidrig

Münster/Saarbrücken · Großer Erfolg für die kleinen Parteien in NRW: Sie können auch künftig mit weniger als 2,5 Prozent in Gemeinderäte und Kreistage einziehen. Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf eine angestrebte Sperrklausel im Saarland haben.

 Am Verfassungsgerichtshof in Münster wurde gestern die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Sperrklausel auf kommunaler Ebene getroffen. Die Richter kippten die 2,5-Prozent-Klausel.

Am Verfassungsgerichtshof in Münster wurde gestern die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Sperrklausel auf kommunaler Ebene getroffen. Die Richter kippten die 2,5-Prozent-Klausel.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Bei den kleinen Parteien in Nordrhein-Westfalen knallen nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts die Sektkorken: „Wir haben mit diesem Ergebnis gerechnet, trotzdem sind wir sehr erleichtert“, sagte der Münsteraner Ratsherr Franz Pohlmann von der ÖDP nach der gestrigen Entscheidungsverkündung. Die ÖDP hatte bei der letzen Wahl in Münster 1,2 Prozent der Stimmen. Wäre die Sperrklausel rechtlich in Ordnung gewesen, wäre er bei der nächsten Kommunalwahl 2020 womöglich nicht erneut in den Rat der Stadt gekommen. Doch das Verfassungsgerichtshof gab der ÖDP und den anderen Antragstellern Recht: Die 2016 vom Landtag beschlossene 2,5-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen ist verfassungswidrig.

Sie verletze bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, sagte die Vorsitzende Richterin Ricarda Brandts. Danach müsse jede Wählerstimme den gleichen Erfolgswert haben – also gleich viel Wert sein. Eine Ungleichbehandlung der Stimmen könne nur dann vereinbar mit der Verfassung sein, wenn es dafür einen zwingenden Grund gäbe – etwa eine Störung der Funktionsfähigkeit der Volksvertretungen. Die Vertreter des Landtags hätten aber keinerlei empirischen Beweise dafür gebracht, dass Gemeinderäte und Kreise in NRW wegen vieler kleiner Parteien in den Gremien nicht mehr funktionsfähig sind. „Eine bloße Erschwerung der Meinungsbildung durch das vermehrte Aufkommen kleiner Parteien und Wählervereinigungen ist nicht ausreichend“, sagte Brandts.

Es ist eine Niederlage für den Landtag – und schon zum zweiten Mal. Der Landtag hatte die 2,5 Prozent-Sperrklausel 2016 bei Kommunalwahlen mit großer Mehrheit beschlossen und sie sogar in der Landesverfassung verankert. Sie war nach Ansicht von SPD, CDU und Grünen nötig geworden, um die Kommunalvertretungen vor zu vielen Splitterfraktionen zu schützen und arbeitsfähig zu halten. Bis 1999 hatte es in NRW schon einmal eine Sperrklausel bei Kommunalwahlen gegeben – damals sogar in Höhe von fünf Prozent. Anders als dieses Mal handelte es sich damals aber um ein einfaches Gesetz und keines von Verfassungsrang. Das Gericht hatte aber auch die damalige Klausel gekippt. Damals war das Kernargument, der Gesetzgeber habe die Erforderlichkeit nicht hinreichend begründet.

Das Vorhaben von CDU und SPD, im Saarland eine Drei-Prozent-Hürde für die Kommunalparlamente einzuführen, hat durch die gestrige Entscheidung in Nordrhein-Westfalen einen Dämpfer erhalten. Die beiden Koalitionspartner hatten erklärt, zunächst das Urteil von Münster abwarten zu wollen, bevor sie gegebenenfalls ein entsprechendes Gesetz für eine Sperrklausel im Saarland auf den Weg bringen.

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