100 Tage vor Olympia funkt Cristo SOS

Rio de Janeiro · Ein Taxifahrer in Rio sagt: Seit dem 1:7 gegen Deutschland bei der Fußball-WM geht es nur noch bergab. Zika, Rezession, politisches Chaos. Brasiliens Olympia-Premiere steht bisher unter keinem guten Stern.

 Die Statue Cristo Redentor (Christus, der Erlöser) ist das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. Die Olympia-Organisatoren hoffen und beten, dass sich die Probleme bis zur Eröffnung in Luft auflösen. Foto: dpa/machado Die Maskottchen Vinicius (li.) und Tom sollen für gute Stimmung sorgen. Foto: dpa/Ferro

Die Statue Cristo Redentor (Christus, der Erlöser) ist das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. Die Olympia-Organisatoren hoffen und beten, dass sich die Probleme bis zur Eröffnung in Luft auflösen. Foto: dpa/machado Die Maskottchen Vinicius (li.) und Tom sollen für gute Stimmung sorgen. Foto: dpa/Ferro

Foto: dpa/machado Die Maskottchen Vinicius (li.) und Tom sollen für gute Stimmung sorgen. Foto: dpa/Ferro

Das Drama um Feuer und Wasser am vergangenen Donnerstag hatte für Rio de Janeiro etwas Symbolisches. Das Entzünden des Olympischen Feuers im 10 000 Kilometer entfernten Griechenland sollte Sportfans in Brasilien und der ganzen Welt für die Sommerspiele am Zuckerhut erwärmen. Stattdessen erschütterte fast zeitgleich der Einsturz eines für Olympia gebauten Radwegs das Vertrauen in die Gastgeber nachhaltig; zwei Männer fielen ins Meer und starben.

Bisher liegt kein Segen über den ersten Spielen in Südamerika. Brasilien ist gebeutelt von einer tiefen Rezession und einer noch tieferen Regierungskrise, der Bundesstaat Rio de Janeiro ächzt unter einem enormen Defizit. Bürgermeister Eduardo Paes betont zwar, Olympia tangiere das nicht. Zu 98 Prozent sei alles fertig. "Die größten Herausforderungen bei der Organisation dieses Megaevents sind überwunden", sagte er bei der letzten Visite des Internationalen Olympischen Komitees. Dennoch will in Brasilien 100 Tage vor der Eröffnungsfeier am 5. August keine rechte Vorfreude aufkommen.

Die Leute bewegt anderes: Die Wirtschaftsleistung ist 2015 um 3,8 Prozent eingebrochen, das einst gefeierte Boomland hat fast zehn Millionen Arbeitslose, regiert wird kaum noch, da es einen erbitterten Kampf gibt um die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff - wahrscheinlich wird sie zur Prüfung von Vorwürfen wie Tricksereien beim Staatshaushalt für 180 Tage zunächst suspendiert. Dann würde Vizepräsident Michel Temer die Spiele im Fußballtempel Maracanã eröffnen.

Hinzu kommt ein milliardenschwerer Korruptionsskandal, in den mehr als 50 Politiker verwickelt sind. Die Rio-Organisatoren sind wegen der miesen Lage zum radikalen Sparen gezwungen - so wird es tausende Freiwillige weniger geben und die Sportler müssen Abstriche beim Komfort machen. Im Olympischen Dorf warten auf sie sehr schlicht eingerichtete Zimmer ohne Fernseher.

Größtes Sorgenkind der Macher ist derzeit aber die neue Metro-Linie nach Barra, wo sich der Olympiapark befindet. Es ist das wichtigste Infrastrukturprojekt, das rund ein Viertel der Gesamtkosten ausmacht, aber womöglich nicht rechtzeitig komplett fertig wird. Ursprünglich sollte die Linie 2,1 Milliarden Euro kosten, nun könnten es mindestens 400 Millionen mehr werden. Im schlimmsten Fall müssen Touristen mit Pendelbussen zum 40 Kilometer vom Zentrum entfernten Olympiapark anreisen. Hunderttausende Fans müssten sich auf nervtötende Fahrten einstellen - schon jetzt sind die Straßen nach Barra oft verstopft.

Große Probleme bereiten auch Rios Gewässer. In der Lagune Rodrigo de Freitas, wo die Ruderwettbewerbe stattfinden, kommt es immer wieder zu Fischsterben. Aber noch dramatischer ist die Wasserqualität im Segelrevier, der malerischen, vom Zuckerhut eingerahmten Guanabara-Bucht. Fäkalien, multiresistente Keime - hier sollte man nicht ins Wasser fallen. Die in die Bucht fließenden Abwässer sollten zu 80 Prozent geklärt werden, statt der 20 Prozent zum Zeitpunkt der Vergabe 2009. Das war Rios wichtigstes Olympia-Versprechen. Immerhin sei man nun bei 50 Prozent, so die Landesregierung. Doch kaum jemand glaubt das angesichts der vermüllten und stinkenden Gewässer. Doch die Bucht, durch die auch die mächtigen Containerschiffe Richtung Hafen fahren, ist einfach zu groß, um schnelle Erfolge zur Verbesserung der Wasserqualität zu erzielen.

Ähnlich trübe sind die sportlichen Aussichten. Brasilianische Medaillenhoffnungen halten sich in Grenzen. Ausgerechnet der einzige Schwimm-Olympiasieger, César Cielo, vergeigte überraschend die Qualifikation. Die beste Sprinterin des Landes, Ana Claudia Lemos, verpasst die Spiele wegen eines Doping-Falls. Als Pflicht gilt fast schon Gold im Fußball. Der wichtigste Spieler, Neymar, hat dafür nun die Freigabe von seinem Klub FC Barcelona bekommen.

 Die Statue Cristo Redentor (Christus, der Erlöser) ist das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. Die Olympia-Organisatoren hoffen und beten, dass sich die Probleme bis zur Eröffnung in Luft auflösen. Foto: dpa/machado Die Maskottchen Vinicius (li.) und Tom sollen für gute Stimmung sorgen. Foto: dpa/Ferro

Die Statue Cristo Redentor (Christus, der Erlöser) ist das Wahrzeichen von Rio de Janeiro. Die Olympia-Organisatoren hoffen und beten, dass sich die Probleme bis zur Eröffnung in Luft auflösen. Foto: dpa/machado Die Maskottchen Vinicius (li.) und Tom sollen für gute Stimmung sorgen. Foto: dpa/Ferro

Foto: dpa/machado Die Maskottchen Vinicius (li.) und Tom sollen für gute Stimmung sorgen. Foto: dpa/Ferro

Die Organisatoren hoffen, dass dadurch jetzt auch der Kartenvorverkauf anzieht. So sind erst 62 Prozent der gut 5,7 Millionen Tickets abgesetzt. Sicher, gerade die Debatte um das Zika-Virus hält so manchen Olympia-Fan von einer Reise nach Rio ab. Allerdings sind die das Virus übertragenden Moskitos im südamerikanischen Winter weit weniger aktiv und Rio nicht so stark betroffen wie der Nordosten. Die Kartennachfrage könnte zudem steigen, wenn ab dem 3. Mai die Fackel auf der landesweiten Stafette über 20 000 Kilometer durch mehr als 300 Städte getragen wird. Die Macher beten, dass es dabei zu keinen Protesten kommt. Massendemonstrationen gegen die Olympischen Spiele sind bislang ausgeblieben - anders als vor der WM, als Zehntausende ihre Wut über die Geldverschwendung für Mega-Events auf die Straßen trugen.

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