Schicksalsmomente einer Region

Petite Rosselle · Mit 3D-Technologie und Feuerwerk beeindruckte das neue Freiluftspektakel „Les Gueules Noires – Schwarzes Gold“ vom Metzer Regisseur Laurent Guillaume Dehlinger das Premieren-Publikum am Donnerstag.

 Mit vielen Effekten und teils zu elektronischen Klängen stellen die „Kinder der Kohle“ das Alltagsleben der Bergleute dar – darunter auch Explosionen unter Tage. Foto: Rich Serra

Mit vielen Effekten und teils zu elektronischen Klängen stellen die „Kinder der Kohle“ das Alltagsleben der Bergleute dar – darunter auch Explosionen unter Tage. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Einen echten Knalleffekt zünden die "Kinder der Kohle" gleich zu Anfang ihres neuen Bergbau-Stücks. An der Front des Fördermaschinenhauses 2, das um kurz nach halb zehn schon in Dunkelheit liegt, züngeln sich kleine Feuer-Flammen entlang. Dann knallt es wie bei einer Sprengung und das riesige Backsteingebäude kracht in sich zusammen. Erst im zweiten Moment gewahrt man, dass die Fassadentrümmer nur eine Projektion bewegter Lichtbilder sind und das Gebäude selbst noch steht.

Premiere vor 1200 Zuschauern

Die großen Projektionen auf die Fassade im Hintergrund in plastischer 3D-Technologie sorgen im neuen Freiluftspektakel "Les Gueules Noires - Schwarzes Gold", das am Donnerstag vor 1200 Zuschauern Premiere feierte, in der Tat für die spektakulärsten Momente. Da meint man, abwechselnd einem echten Mietshaus gegenüber zu sitzen, mit Bergleuten durch Strecken unter Tage zu schlurfen oder gar eine Staubexplosion auf sich zu rollen zu sehen. Doch in dem Bergbau-Stück selbst, geschrieben und inszeniert vom Metzer Theatermann Laurent Guillaume Dehlinger, aufgeführt mit seiner Compagnie Deracinemoa und rund 80 Laiendarstellern aus Lothringen und dem Saarland, geht es weniger um die Technik, sondern um die Menschen. Vom Ende her rollt er die Geschichte des Bergbaus auf. Während schon Touristen-Gruppen in lächerlichen Hawaii-Hemden übers Gelände trippeln und die letzten Bergleute bestaunen wie ausgestorbene Tiere, folgt der Zuschauer der Hauptfigur Simon. Von seinen Wurzeln im Kohlebecken will der junge Pariser Architekt zunächst gar nichts mehr wissen. Erst die Begegnung mit einer mysteriösen Frau, die sich als Schutzpatronin Barbara entpuppt, bringt den Sohn einer Bergmanns-Familie dazu, sich zu erinnern, wie es mal war. Das ist der Anstoß, das Leben der Bergleute in vielen typischen Alltagsszenen widerzuspiegeln. Zurück geht es in die 50er, wo sich die Lothringer über ein italienisches Einwanderer-Ehepaar, das stilecht im Fiat 500 vorfährt, als "Spaghettifresser" mokieren - und anschließend mit ihm gemeinsam singend und tanzend feiern. Sogar ein echter Bus fährt vor, um die Bergleute zur Schicht abzuholen. Frauen in Blümchenkitteln tragen ihnen die Brote hinterher. Man erlebt die Kumpel beim Einfahren, beim Schwatz in der Pause, beim abendlichen Strippen à la "Ganz oder gar nicht" in einer einstigen Saarbrücker Bordell-Kneipe. Auch eine Schlagwetter-Explosion unter Tage mit Todesopfern darf nicht fehlen.

Deftiger Humor auf Französisch

Höhen und Tiefen wechseln einander ab, Live-Trommeln auf der Bühne mit stimmungstragenden elektronischen Klängen. Dehlinger spart nicht an deftigem Humor. Neben den wenigen Profis behaupten sich all die Laien sehr beachtlich. Dehlinger gibt ihnen viel Raum zum "Disputieren", meist auf Französisch. Eine deutsche Übertitelung, die bei der Premiere noch nicht funktionierte, soll bei den weiteren Vorstellungen sicherstellen, dass alle die Dialoge verstehen. Wer hat eigentlich über das Ende des Bergbaus entschieden und damit über das Schicksal der ganzen Region, heißt es schließlich. Das wird hier als herzenskalter Ausverkauf an der Börse dann doch etwas simpel stilisiert. Nach fast sakralem Wunderkerzenschwenken gelingt der Aufführung dann aber noch ein starker Abschluss, mit taffen Bergleuten (viele der Darsteller waren es mal), die sich auch auf Feuerwerkszauber verstehen.

Weitere Aufführungen: 17. und 23./24. August, 21.30 Uhr, Petite Rosselle, Parc Explor Wendel, Karten: Ticket regional oder an der Abendkasse

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