Juncker-Vorstoß Heftiger Streit um Euro für alle EU-Länder

Straßburg/Berlin · Der Euro für Rumänien und Bulgarien? Ein Vorstoß von EU-Chef Juncker mischt den deutschen Wahlkampf auf. Profitieren die Euro-Skeptiker?

(dpa/SZ) Der Euro für alle und ein Europa ohne Grenzen: Kurz vor der Bundestagswahl hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit brisanten Vorschlägen die Debatte über die Zukunft der EU angeheizt. In Deutschland stieß er damit bei FDP, AfD, CSU und Linken auf teils heftigen Widerspruch. Juncker präsentierte im Straßburger Europaparlament in seiner jährlichen Rede zur Lage der Union seine Vision für die EU bis 2025.Vor allem der Vorschlag zur Ausweitung der Euro- und der Schengenzone ohne Grenzkontrollen auf relativ neue EU-Mitglieder wie Rumänien, Bulgarien und Kroatien könnte Streit auslösen. Juncker schlug vor, ärmeren Mitgliedern der EU mit Hilfen aus einem neuen Finanztopf rasch den Weg in den Euro zu ebnen. Davon profitieren könnten neben Bulgarien, Kroatien und Rumänien auch Polen, Tschechien und Ungarn.  Juncker schlug in diesem Zusammenhang vor, den Europäische Stabilitätsmechanismus ESM schrittweise zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen und  plädierte für einen europäischen „Wirtschafts- und Finanzminister“.

Der Euro-Vorstoß erntete von den Wahlkämpfern in Berlin sehr unterschiedliche Reaktionen. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte der Zeitung „Die Welt“: „Das ist der falsche Vorschlag zur falschen Zeit.“ Eine Übernahme des Euro für Bulgarien und Rumänien sei absurd.

FDP-Chef Christian Lindner warf Juncker vor, er verkenne die Lage in den Mitgliedsstaaten der Währungsunion. „Noch immer fehlen die wirkliche Durchsetzung der Schuldenregeln und eine Insolvenzordnung.“ Linke-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht kritisierte den Vorstoß scharf: „Juncker scheint von allen guten Geistern verlassen zu sein.“ Bereits jetzt zerstöre die Währungsunion in vielen Ländern Industrie und Arbeitsplätze, während sie in Deutschland eine Bedrohung für Sparkonten und Lebensversicherungen sei. AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel argumentierte ähnlich und erklärte, der EU-Kommissionspräsident demonstriere „erneut den völligen Realitätsverlust der Brüsseler EU-Funktionäre.“ In den südeuropäischen Ländern blockiere der Euro Wachstum und schaffe Massenarbeitslosigkeit.

Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir dagegen nannte den Euro für alle „das richtige Ziel.“ Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Martin Schulz tragen die große Linie der Juncker-Rede mit. Schulz wies darauf hin, dass in der EU-Verfassung stehe, dass alle Mitgliedsländer bis auf Großbritannien und Dänemark verpflichtet sein, den Euro einzuführen, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen.

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