Streit um Betreuungsgeld: Seehofer droht wieder

Berlin. Der Streit um das Betreuungsgeld scheint immer mehr zur Bestandsprobe für die Regierungskoalition zu werden. CSU-Chef Horst Seehofer drohte nun mit einem Scheitern der Koalition, sollte das Betreuungsgeld nicht in der geplanten Form verabschiedet werden

Berlin. Der Streit um das Betreuungsgeld scheint immer mehr zur Bestandsprobe für die Regierungskoalition zu werden. CSU-Chef Horst Seehofer drohte nun mit einem Scheitern der Koalition, sollte das Betreuungsgeld nicht in der geplanten Form verabschiedet werden. Seehofer sagte der "Bild am Sonntag" wenn das Betreuungsgeld scheitere, "wie soll dann noch gemeinsames Handeln bei anderen Projekten möglich sein?" Eine Koalition könne nur mit Vertrauen bestehen und dies bestehe nur, wenn Vereinbarungen auch eingehalten würden.Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wies die Forderungen der CSU zurück, das Betreuungsgeld ohne Abstriche umzusetzen. "Mein Eindruck aus der letzten Fraktionssitzung von CDU und CSU ist, dass eine Mehrheit der Fraktionsmitglieder Änderungen des eingebrachten Betreuungsgeld-Gesetzentwurfs nicht nur für möglich hält, sondern sie geradezu erwartet", sagte Lammert dem "Tagesspiegel am Sonntag".

FDP-Fraktionsvize Martin Lindner kritisierte, Seehofer stilisiere das Betreuungsgeld "zu einer Glaubensfrage" hoch. Er fordere die Parteichefs der Koalition auf, die Sommerpause zu nutzen, "um einen vernünftigen Kompromiss zum Betreuungsgeld zu finden", sagte Lindner der "Welt". Mit seinem Ultimatum betreibe Seehofer "groben Unfug".

Die Opposition kritisiert das Betreuungsgeld weiterhin scharf. "Union und FDP sollten die Reißleine ziehen und das Projekt stoppen", sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte das Vorhaben absurd und drohte mit Verfassungsklagen. Das Geld solle in die Kinderbetreuung gesteckt werden, sagte Gabriel der "Passauer Neuen Presse". Ab August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für ihre Kinder unter drei Jahren. Nach Angaben des Familienministeriums fehlen derzeit noch 160 000 Plätze, um den geschätzten Bedarf zu decken.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat deshalb nun den Ländern ein Ultimatum zum Ausbau von Kita-Plätzen gestellt. "Ich habe jetzt die Familienminister der Bundesländer angeschrieben und ihnen eine Frist gesetzt", sagte Schröder der "Welt am Sonntag". Länder, die bis zum 30. September nicht mindestens 90 Prozent der Bundesmittel verbindlich beantragt hätten, müssten "Geld, das für sie vorgesehen war, an andere Bundesländer abgeben". So hätten Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bremen zusammen noch fast 150 Millionen Euro Bundesgelder nicht beantragt. Nordrhein-Westfalens Familienministerin Ute Schäfer (SPD) hält die Kritik Schröders für falsch. Das Land habe alle Bundesmittel verteilt, sagte Schäfer der "Welt". Das Ultimatum sei ein Bluff, um vom Betreuungsgeldchaos abzulenken. Auch Bayern, Baden-Württemberg und Hessen kritisierten Schröders Ultimatum. epd/dpa

Foto: dapd

Meinung

Nerviges Gebrüll

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Die meisten Koalitionäre sind nur noch genervt vom Gebrüll des bayerischen Löwchens, der nun zum wiederholten Male die Koalition wegen des Streits um das Betreuungsgeld in Frage stellt. Das Betreuungsgeld will kaum jemand in der Koalition außer Seehofer selbst. Und dass Union und FDP im Bundestag mit einer Mehrheit das unsinnige Vorhaben absegnen werden, ist noch längst nicht ausgemacht. Der Koalitionsbruch ist das schwerste Geschütz, das Partner gegeneinander in Stellung bringen können. Sollte sich Seehofers Drohung im Ernstfall als hohl erweisen, wäre er vollends desavouiert. Man möchte der Koalition zurufen, es darauf ankommen zu lassen.

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