Schwarzer Peter in Jerusalem

Ramallah. Der Nahost-Friedensprozess stockt. Der Außenminister ist angereist, um ihn ins Laufen zu bringen. Denn, so Westerwelle am Mittwoch in der Palästinenser-"Hauptstadt" Ramallah: "Es kostet viel mehr Kraft, einen Zug, der ganz zum Stehen gekommen ist, wieder flott zu kriegen, als einen, der wenigstens noch langsam fährt

 Die Atmosphäre war freundlich, doch das Gespräch zwischen Außenminister Westerwelle (rechts) und Israels Premier Benjamin Netanjahu brachte keine konkreten Ergebnisse. Foto: dpa

Die Atmosphäre war freundlich, doch das Gespräch zwischen Außenminister Westerwelle (rechts) und Israels Premier Benjamin Netanjahu brachte keine konkreten Ergebnisse. Foto: dpa

Ramallah. Der Nahost-Friedensprozess stockt. Der Außenminister ist angereist, um ihn ins Laufen zu bringen. Denn, so Westerwelle am Mittwoch in der Palästinenser-"Hauptstadt" Ramallah: "Es kostet viel mehr Kraft, einen Zug, der ganz zum Stehen gekommen ist, wieder flott zu kriegen, als einen, der wenigstens noch langsam fährt." Doch die Beteiligten zögern, mit echten Friedensgesprächen zu beginnen. Fünf Vorbereitungstreffen gab es in Amman, ohne Ergebnis. Und nun geht es nicht weiter.Ein Grund ist, dass alle mit sich selbst beschäftigt sind. Die USA mit ihren Präsidentschaftswahlen, aber auch Israel. Als Westerwelle Benjamin Netanjahu am Mittwoch trifft, wird bekannt, dass der israelische Premier die Vorwahlen um den Vorsitz seiner Likud-Partei mit 75 Prozent der Stimmen gewonnen hat. Das dürfte Netanjahu mehr interessiert haben als alles andere. In Israel riecht es nach vorgezogenen Neuwahlen. Bei den Palästinensern läuft der Versöhnungsprozess zwischen der radikalen Hamas und der gemäßigten Fatah, der in Wahlen enden kann. Dazu kommen die Revolution in Ägypten und die Unruhen in Syrien.

Um weitergehen zu können, müssten die Themen der Friedensgespräche konkret werden. Palästinenser-Premier Salam Fayyad hat damit kein Problem, er nennt einen Katalog "vertrauensbildender Maßnahmen", mit denen man anfangen könne. Nicht die großen Fragen wie der israelische Siedlungsbau sind das, sondern die Beendigung der Übergriffe von Siedlern oder das Recht der Palästinenser, ihre Polizei auch in den von Israel voll kontrollierten Regionen einsetzen zu dürfen, die 60 Prozent des künftigen Staatsgebiets ausmachen. Westerwelle nimmt all das mit zu Netanjahu, doch erhält er dort, so ist aus den Informationen der deutschen Delegation zu schließen, nicht einmal eine Antwort. Dass die Israelis ihre Vorstellungen äußern mögen, damit es weitergeht, ist eine beständige Aufforderung des deutschen Gastes. Aus der Ferne assistiert UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und verlangt von Israel "Gesten des guten Willens". Sie bleiben bei Westerwelles Besuch aus.

Dafür setzt der Außenminister selbst welche, in beide Richtungen. In Jerusalem unterzeichnet er ein Abkommen, mit dem Deutschland in die dauerhafte Finanzierung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einsteigt; zehn Millionen Euro bis 2021. Den Pälästinensern gibt er elf Millionen für die Flüchtlingshilfe; weitere fünf Millionen steuert der parallel zu Westerwelle in die Region gereiste Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel für Wasserprojekte bei. Deutschland bleibt als Vermittler im Spiel.

 Die Atmosphäre war freundlich, doch das Gespräch zwischen Außenminister Westerwelle (rechts) und Israels Premier Benjamin Netanjahu brachte keine konkreten Ergebnisse. Foto: dpa

Die Atmosphäre war freundlich, doch das Gespräch zwischen Außenminister Westerwelle (rechts) und Israels Premier Benjamin Netanjahu brachte keine konkreten Ergebnisse. Foto: dpa

Wo der schwarze Peter liegt? Westerwelle selbst sagt dazu öffentlich nichts, aber ein Signal des Deutschen ist mehr als deutlich: Noch in Ramallah kündigt er an, dass die Vertretung der Palästinenser in Berlin aufgewertet wird zu einer "diplomatischen Mission, die von einem Botschafter geleitet wird". Ein weiterer Schritt zur diplomatischen Anerkennung des Palästinenser-Staates. Noch im Herbst hatte Deutschland, wie von Israel verlangt, in der Unesco-Versammlung gegen die Aufnahme Palästinas gestimmt. Jetzt ändert Berlin offenbar seine Tonlage gegenüber Jerusalem. Aber selbst darauf hat Netanjahu, wie man hört, bei dem Gespräch mit Westerwelle nicht reagiert.

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