Schröder für „Aufstand der Anständigen“

Berlin · Die Politik streitet weiter über den Umgang mit der „Pegida“-Bewegung. Und warnt davor, Konflikte auf dem Rücken von Flüchtlingen auszutragen. Deren Zahlen werden 2015 voraussichtlich noch einmal steigen.

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD ) hat in der Auseinandersetzung mit der Anti-Islam-Bewegung "Pegida" einen "Aufstand der Anständigen" gefordert. Unter diesem Schlagwort hatte der damalige Kanzler im Jahr 2000 nach einem Brandanschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge zum Protest gegen Rechts aufgerufen. "In Berlin haben damals 200 000 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus protestiert, und selbstverständlich sind Bundespräsident und Bundeskanzler vorneweg marschiert. So eine öffentliche Reaktion brauchen wir auch jetzt", sagte Schröder dem Magazin "Couragiert".

Zwei Tage vor Heiligabend wollte das "Pegida"-Bündnis gestern Abend in Dresden erneut gegen eine vermeintliche "Überfremdung" Deutschlands mobilmachen. Die Veranstalter luden zum "gemeinsamen Weihnachtsliedersingen" vor der Semperoper. Die Bewegung erhielt nochmals Zulauf, 17 500 Menschen versammelten sich nach Schätzungen der Polizei . In Dresden, aber auch in anderen Städten kamen Tausende zu Gegendemonstrationen. Experten ordnen Teile der Bewegung "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" dem rechtsextremen Spektrum zu. Genährt werden die Proteste nach Ansicht von Sozialforschern auch von diffusen Abstiegsängsten.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, appellierte an die Demonstranten, sich einer Diskussion zu stellen. Sie müssten sich klar abgrenzen von Rechtsextremisten, die bei den Protesten versuchten, "ihr Süppchen zu kochen". Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, forderte, die Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen. "Wir müssen sagen, dass diese Ängste unbegründet sind", erklärte Mazyek. Die Politik habe es jedoch bislang versäumt, auf die Sorgen einzugehen. "Die Menschen, die dort auf die Straße gegangen sind und mit teilweise rassistischen Vorurteilen Parolen skandiert haben, die kennen keinen einzigen Muslim", kritisierte er.

Scharfe Kritik an den Protestmärschen kam vom Rat für Migration . Die Fokussierung auf eine Minderheit und Unterstellung einer "Islamisierung des Abendlandes" widerspreche nicht nur den Tatsachen, sondern auch den zivilisatorischen Fortschritten der letzten Jahre. Gerade in Deutschland sollte man sensibel sein, wenn eine religiöse Minderheit zum Sündenbock für strukturelle Probleme gemacht werde. Die Angst vor Unterwanderung durch den Islam oder die Vorstellung, der Islam könne Staatsreligion werden, fuße auf einem großen Wissensdefizit. "Klartext ist angesagt und nicht dieses Gesülze, was ich da zum Teil höre von manchen Kollegen", betonte Grünen-Chef Cem Özdemir .

Nach einer Prognose des Bundesamtes für Migration wird die Zahl der Asylbewerber in Deutschland 2015 weiter steigen. "Wir rechnen bisher im nächsten Jahr mit 200 000 Erstanträgen und 30 000 Folgeanträgen", sagte Präsident Manfred Schmidt . Die Behörde erwartet aber, dass die Aufnahme reibungsloser verläuft. So sind bundesweit zwölf neue Erstaufnahmeeinrichtungen in Planung, außerdem sollen sich mehr Mitarbeiter um die Asylanträge kümmern.

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