Scheren-Attacke schockiert Israel

Jerusalem · Die Gewalt in Nahost nimmt immer absurdere Züge an. Zwei plästinensische Mädchen stechen in Jerusalem mit Scheren auf einen alten Mann ein – ebenfalls Palästinenser. Eine wird erschossen. Nun will der US-Außenminister in Nahost die Wogen glätten.

Im Vorfeld einer Vermittlungsmission von US-Außenminister John Kerry in Israel und den Palästinensergebieten geht die Serie von Gewalttaten dort unvermindert weiter. Bei drei Anschlägen im Zentrum Jerusalems, im besetzten Westjordanland und auf einer Transitstrecke wurden gestern nach Angaben von Polizei und Armee ein Israeli getötet und drei weitere Menschen verletzt. Drei palästinensische Angreifer, darunter eine 16-Jährige, wurden erschossen.

In der Nähe des Zentralmarkts von Jerusalem verübten am Vormittag nach Polizeiangaben zwei palästinensische Mädchen einen "Terrorangriff". "Zwei mit Scheren bewaffnete weibliche Terroristen stachen" auf einen älteren Mann ein, teilte die Polizei mit. Ein Streifenpolizist schoss auf die 14 und 16 Jahre alten Angreiferinnen, wobei die Ältere getötet und die Jüngere schwer verletzt wurde. Die Tat ereignete sich in der Jaffa-Straße, einer belebten Fußgängerzone in West-Jerusalem. Bei dem 70-jährigen Mann, den die in Schuluniform gekleideten Mädchen angriffen und leicht verletzten, handelte es sich den Ermittlern zufolge um einen Palästinenser aus dem Westjordanland . Die Polizei vermutet offenbar einen Irrtum der Täterinnen, denn sie sprach weiter von einem "Terrorangriff". Ebenfalls leichte Verletzungen erlitt ein Wachmann, der von einem Querschläger an der Hand getroffen wurde.

Die Schüsse wurden von einem Polizisten abgegeben, der in seinem Auto Zeuge des Angriffs wurde. Eine Überwachungskamera zeigt, wie der Beamte die Mädchen unter vorgehaltener Waffe auffordert, sich zu ergeben, diese aber weiter mit den Scheren um sich stechen. Die Aufnahmen scheinen aber auch zu belegen, dass der Polizist erneut auf die Palästinenserinnen schießt, als diese bereits getroffen auf dem Boden liegen.

Auf einer Transitstrecke, die von Jerusalem durch das Westjordanland in Richtung Tel Aviv führt, wurde am Nachmittag an einer Tankstelle ein Israeli von einem Palästinenser erstochen, ein weiterer wurde verletzt. Wie die Armee weiter mitteilte, wurde der Angreifer getötet. Fast zeitgleich erschossen Soldaten südlich von Nablus im Westjordanland einen Palästinenser, der versucht habe, einen Israeli mit einer Stichwaffe anzugreifen, berichtete ein Armeesprecher.

Seit Anfang Oktober ist die Lage in Israel und im Westjordanland äußerst angespannt. Palästinenser verübten dutzende Attacken auf Israelis, zumeist mit Stichwaffen, aber auch mit Autos oder Schusswaffen. 17 Israelis und ein US-Bürger wurden bei diesen Angriffen getötet, fast zweihundert Menschen verletzt. Ein Eritreer wurde von Israelis misshandelt und getötet, weil sie ihn für einen Täter hielten. Im Zuge der Unruhen, die auch auf das Grenzgebiet zum palästinensischen Gazastreifen übergriffen, starben im gleichen Zeitraum 92 Palästinenser. Dabei handelt es sich in der großen Mehrzahl um erwiesene Attentäter.

US-Außenminister Kerry will heute den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem und den Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah auf eine Beruhigung der Lage drängen. Dabei soll es um vertrauensbildende Schritte gehen. Netanjahu kündigte unterdessen an, er wolle schärfere Sicherheitsmaßnahmen im Westjordanland ergreifen.

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