Polen stimmt EU-Reformvertrag zu

Warschau. Anderthalb Jahre lang hat Polens Präsident Lech Kaczynski mit Europa Katz und Maus gespielt. Trotz eindringlicher Appelle aus dem Ausland und aus seiner eigenen europabegeisterten Heimat blieb das national-konservative Staatsoberhaupt unter Hinweis auf das gescheiterte Referendum in Irland stur

Warschau. Anderthalb Jahre lang hat Polens Präsident Lech Kaczynski mit Europa Katz und Maus gespielt. Trotz eindringlicher Appelle aus dem Ausland und aus seiner eigenen europabegeisterten Heimat blieb das national-konservative Staatsoberhaupt unter Hinweis auf das gescheiterte Referendum in Irland stur. Aber auch nach dem Ja der Iren vor einer Woche verlautete zunächst aus der Umgebung des Präsidenten: "Keine Eile, wir haben Zeit." Doch dann beendete Kaczynski (Foto: afp) plötzlich den Nervenkrieg und machte aus dem Festakt am Samstag sogar eine richtige Schau. Im Warschauer Präsidentenpalast setzte Kaczynski seine Unterschrift unter das Dokument von Lissabon. Die Kulisse für seinen Auftritt bildeten EU-Spitzenpolitiker: Jerzy Buzek, José Manuel Barroso und Fredrik Reinfeldt. Und sogar eine Panne mit dem Federhalter konnte ihn nicht aus der Fassung bringen. Als der erste Füller versagte, griff er - ohne das Gesicht zu verziehen - zu einem Ersatzschreibgerät. Vor laufenden Fernsehkameras erläuterte Kaczynski mit ernster Miene zunächst seine Argumente für das lange Abwarten. Er erinnerte an das Prinzip der Einstimmigkeit, das "in wichtigsten Fragen" bestehen bleibe. Daher sei es nicht wichtig, ob es sich "um Deutschland oder Malta" handele. Erst durch die neue Entscheidung der Iren sei der Vertrag belebt worden, so dass es keine Hindernisse mehr gebe, sagte der Präsident. In den vergangenen Monaten hatte er wiederholt davor gewarnt, Irland unter Druck zu setzten, weil Polen künftig Gleiches widerfahren könnte. Mit seiner Unterschrift schob Polens Präsident den Schwarzen Peter seinem tschechischen Kollegen Vaclav Klaus zu. "Polen ist nicht mehr der letzte Bremser Europas", kommentierte der Chefredakteur der Zeitschrift "Forum", Jacek Mojkowski. Dabei kann Kaczynski ohne Zweifel die tschechischen Bedenken gegen den EU-Vertrag gut verstehen. Er und sein Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski, seinerzeit polnischer Regierungschef, hatten bereits 2007 durchgesetzt, dass die Grundrechte-Charta für ihr Land keine Rechtsverbindlichkeit haben soll. Das sei ein großer Erfolg gewesen, Polen bleibe voll souverän, betonte jetzt Lech Kaczynski. Beide national-konservativen Politiker benutzten damals die gleichen Argumente wie nun Klaus: die Angst vor Eigentumsansprüchen deutscher Vertriebener. Die Kaczynskis sahen zudem die katholische Moral der polnischen Gesellschaft durch Homo-Ehen oder eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts gefährdet. Ob der polnische Präsident jetzt seinen tschechischen Kollegen für den Vertrag gewinnen kann, bleibt offen. Trotz seiner Bedenken bekennt sich aber Lech Kaczynski - anders als Klaus - zu einer weiteren Integration, genauer gesagt Osterweiterung der Gemeinschaft. Er sei tief davon überzeugt, dass der Beitritt Kroatiens nicht "das letzte Wort" sein werde. Die EU könne anderen Staaten die Hoffnung nicht nehmen, sagte Kaczynski und erwähnte die Ukraine und Georgien als mögliche EU-Anwärter.

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