Pflegerat skeptisch gegenüber Plänen zur Pflegeversicherung

Herr Westerfellhaus, die Pflegekassen verfügen derzeit über eine stattliche Reserve von weit über vier Milliarden Euro. Sehen Sie trotzdem Handlungsbedarf bei der Finanzierung?Westerfellhaus: Trotz der vergleichsweise guten Finanzlage sollten wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen

Herr Westerfellhaus, die Pflegekassen verfügen derzeit über eine stattliche Reserve von weit über vier Milliarden Euro. Sehen Sie trotzdem Handlungsbedarf bei der Finanzierung?

Westerfellhaus: Trotz der vergleichsweise guten Finanzlage sollten wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Wenn man sich die demografische Entwicklung anschaut und dabei auch berücksichtigt, dass sich die Zahl der Demenzkranken von derzeit 1,1 Millionen bis 2050 verdoppeln dürfte, dann ist klar, dass der Pflegeaufwand schon in den nächsten Jahren ganz erheblich zunehmen wird. Im Übrigen ist der Pflegebedarf jetzt schon größer, als er von der Pflegeversicherung abgedeckt ist.

Schwarz-Gelb will den steigenden Aufwand durch ein privates Kapitaldeckungsverfahren finanzieren. Eine gute Idee?

Westerfellhaus: Die Akzeptanz in der Bevölkerung wird sich angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise stark in Grenzen halten. Da wurden ja Milliarden in vermeintlich sicheren Geldanlagen vernichtet. Deshalb werden sich die Bürger fragen, welche Sicherheit sie eigentlich haben, um ihr Geld nicht zu verlieren. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass das Kapital nicht für andere Versicherungsbereiche zweckentfremdet wird. Vor einer vollständigen Umstellung der Pflegeversicherung auf eine Kapitaldeckung kann man jedenfalls nur warnen.

Haben Sie einen besseren Vorschlag?

Westerfellhaus: Eine durchgreifende Reform im Pflegebereich muss mit der Auflösung von Grenzen zwischen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Sozialhilfe und Rehabilitation beginnen. Dieses Problem ist weder durch das herkömmliche Umlageverfahren noch durch eine Kapitaldeckung zu lösen. Nehmen Sie nur den Übergang von der ambulanten zur stationären Pflege. Wenn das einen Pflegebedürftigen betrifft, dann werden für ihn andere Aufsichtsgremien und Finanzierungsapparate zuständig. Wer für was verantwortlich ist, ist aber oftmals strittig. Dadurch wird viel Geld verschwendet.

Aber längerfristig müssen sich die Bürger auf mehr Belastungen bei der Pflegeversicherung einstellen, oder?

Westerfellhaus: Ja, das ist unbestritten. Die Pflegeleistungen selbst werden teurer. Und obendrein steigt auch noch deren Umfang. Insofern ist es zu begrüßen, wenn sich die künftige Bundesregierung mit dieser Herauforderung befasst. Ihr Lösungsansatz greift aber zu kurz. Im Kern brauchen wir eine Grundsatzdebatte in der Gesellschaft, was uns die Versorgung alter, behinderter und kranker Menschen wert ist.

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