Oppermanns schlechter Start ins neue Amt

Berlin · SPD-Fraktionschef Oppermann wird zurzeit ganz unterschiedlich wahrgenommen. Er selbst sieht sich als Anker der großen Koalition. Andere finden, er sei in seinem neuen Amt noch gar nicht angekommen.

Sie sind das Getriebe der großen Koalition. Sie müssen keine Freunde sein, aber in der täglichen Arbeit vertrauensvoll zusammenwirken: Thomas Oppermann und Volker Kauder. Der eine ist Fraktionschef der SPD, derzeit politisch extrem angeschlagen. Der andere führt im Bundestag die CDU/CSU. Beide duzen sich aus Kollegialität. Seit der Edathy-Affäre hat ihre Harmonie arg gelitten.

"Ich bin zusammen mit Herrn Kauder ein Stabilitätsanker dieser Koalition." Dieser Satz von Oppermann auf dem Höhepunkt des Edathy-Skandals war einer für die politische Ewigkeit. In Berlin gibt es nämlich viele, die das anders sehen. Denn ausgerechnet Oppermann hatte mit seiner Presseerklärung den Sturz des CSU-Ministers Hans-Peter Friedrich vor einer Woche herbeigeführt und damit die schwarz-rote Koalition in schweres Fahrwasser gebracht. Bei seinem Auftritt vor dem Innenausschuss am Mittwoch unterlief ein weiterer schwerer Lapsus: Seine Mitteilung sei nicht nur vorab an Friedrich, sondern auch an Kauder geschickt worden, hatte Oppermann erklärt. Der Unionsfraktionschef dementierte prompt, weshalb der Genosse zurückrudern musste. In der Union heißt es, Oppermann sei in seinem neuen Posten offenbar noch nicht angekommen.

Fraktionschef ist man freilich nicht, nur weil man das Amt innehat. Man muss in den verantwortungsvollen Job hineinwachsen. Einerseits gilt es, uneingeschränkt loyal gegenüber der Kanzlerin oder dem Vizekanzler zu sein. Andererseits besteht die Kunst darin, der eigenen Fraktion das Gefühl zu geben, sie sei eigenständig und unabhängig. Intuitiv müssen Fraktionsvorsitzende zudem spüren, wenn Ungemach droht - und Unzufriedenheit manchmal mit der Knute besänftigen. Dafür benötigt man Autorität. Mit diesen Anforderungen hat Oppermann bislang stark gerungen. Das war bei Kauder allerdings ähnlich, als er 2005 das Amt übernahm. Auch ihm unterliefen Anfangsfehler. Allerdings nicht mit politisch so gravierenden Folgen.

Gerne wird jetzt auch ein Vergleich bemüht: Während der großen Koalition von 2005 bis 2009 schmiedete Kauder mit dem damaligen SPD-Fraktionschef Peter Struck eine echte Männerfreundschaft. Jurist Oppermann ist aber ein anderer Typ als sein knorriger und hemdsärmeliger Vorgänger. Und das Verhältnis Kauder/Struck musste sich auch erst entwickeln. Übersehen werden darf zudem nicht: In der letzten Legislaturperiode war es Oppermann, der als Parlamentsgeschäftsführer die damalige schwarz-gelbe Koalition ein ums andere Mal harsch attackierte. So etwas wirkt nach.

Darüber hinaus ist Fakt: Die Edathy-Affäre hat den Blick einiger Unions-Abgeordneter inzwischen auf das Verhalten der eigenen Parteiführung gerichtet. Hinter vorgehaltener Hand wird kritisiert, wie rasch die Kanzlerin den Minister fallen ließ. Zudem haben sich Kauder (mal wieder) nicht deutlich genug gegenüber der SPD positioniert. Das alles ist keine gute Ausgangsbasis für das neue Tandem Kauder/Oppermann - derzeit eher ein Anker ohne Stabilität.

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