Raus aus der Schul-Defensive

Meinung · Bis gestern feuerte eine große Koalition aus Rot-Rot-Grün-Gelb aus allen Rohren gegen die CDU-Landesregierung. Mehr noch: Landeselternvertretung und Lehrerverbände taten mit. Die Strategie, die dem G8-"Vorreiter" Jürgen Schreier (CDU) auf nationaler Ebene bessere Plätze in Länder-Vergleichsstudien sicherte, wucherte im Land zu einem Dauer-Unruheherd

Bis gestern feuerte eine große Koalition aus Rot-Rot-Grün-Gelb aus allen Rohren gegen die CDU-Landesregierung. Mehr noch: Landeselternvertretung und Lehrerverbände taten mit. Die Strategie, die dem G8-"Vorreiter" Jürgen Schreier (CDU) auf nationaler Ebene bessere Plätze in Länder-Vergleichsstudien sicherte, wucherte im Land zu einem Dauer-Unruheherd.Gestern nun hat die neue Kultusministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit ihrer Regierungserklärung "Aufstieg durch Bildung" die Defensive verlassen. Mehr Geld und Lehrer ins System, vor allem an den ausgebluteten Berufsschulen, Schulschließungen nur noch mit Einwilligung der Träger und der Eltern, teilweise Lernmittelfreiheit - das klingt nicht nur prima. Das ist es auch. Insbesondere das Schulbuch-Leihsystem wird Familien deutlich entlasten. Erstmals im Sommer 2009, kurz vor der Wahl. Punktsieg durch Terminierung, nennt man das. Damit dürfte das Pochen von Grünen, SPD oder der Linken auf totaler Lernmittelfreiheit beim Wähler nur mehr als Nörgelei ankommen. Der zentrale Durchbruch vollzieht sich jedoch in Sachen Abitur. Hier entsteht nun sichtbar und klar strukturiert die Wahlmöglichkeit zwischen einem Abitur nach acht Jahren an einem klassischen Gymnasium (G8) oder nach neun Jahren über Erweiterte Realschule und Gesamtschule (G9). Diese Möglichkeit bestand schon immer, doch viel zu selten wurde sie genutzt. Das neue "Schulverbundsystem" begradigt und organisiert den bislang versteckten Weg zum Abitur. Es macht ihn vor allem als echte Alternative zum traditionellen Gymnasium sichtbar. Das ist ein echter Fortschritt, zudem eine Reaktion auf die Kritik am "Turbo-Abi" in acht Jahren. Aber keine grundsätzliche Struktur-Reform. Dennoch kann man das Kramp-Karrenbauer-Programm nur begrüßen. Selbst wenn man den "ideologischen" Hintergrund kennt: Die Ministerin hilft den gefährdeten Erweiterten Realschulen aus der Akzeptanzkrise. Fest steht: Davon profitieren Schüler und Eltern. Warum also nicht? Obwohl man auch nachdenklich werden darf. Seit die Wirtschaft nach mehr Fachkräften und also nach mehr Hochschulabsolventen schreit, wird plötzlich allerorten in der Republik hektisch an einem "Abitur für alle" geschraubt. Das ist Illusion. Machbar wäre aber mehr individuelle Förderung. Echte Ganztagsschulen mit top ausgebildeten Pädagogen wären dafür die besten Erprobungsorte. Davon will die CDU aber nichts wissen. Schon deshalb sollte man sich von der Idee eines langfristigen "Bildungsfriedens" im Land verabschieden.

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