„Die Liebe ist überall gleich“

Komplexe Geschichten um Beziehungen, Schuld und Entwurzelung sind Asghar Farhadis Spezialität. Sie haben dem Iraner mit „Nadar und Simin – Eine Trennung“ vor drei Jahren den Goldenen Bären der Berlinale eingebracht und 2012 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Sein Melodram „Le passé – Das Vergangene“ über zwei Alleinerziehende, die eine neue Familie gründen wollen und doch nicht mit ihrer Vergangenheit abschließen können, kommt morgen in unsere Kinos. SZ-Mitarbeiter Patrick Heidmann sprach mit Farhadi.

 Sie steht im Mittelpunkt der Beziehungswirren: Marie (Bérénice Bejo). Foto: Carole Bethuel / Camino

Sie steht im Mittelpunkt der Beziehungswirren: Marie (Bérénice Bejo). Foto: Carole Bethuel / Camino

Foto: Carole Bethuel / Camino

Sie waren lange skeptisch, was das Drehen außerhalb des Irans angeht. Warum sind Sie nun nach Frankreich gegangen?

Farhadi: Das ging mit der Geschichte einher. Im Iran hätte ich sie nicht erzählen können, weil es ja um einen Mann geht, der aus dem Iran ausreist; um zwei Länder, die sich sehr fern sind. Ich musste mich also für eine Stadt jenseits von Teheran entscheiden.

Wie kamen Sie auf Paris?

Farhadi: Ich wollte eine Stadt mit einer langen Geschichte. Rom oder Berlin wären auch in Frage gekommen. Letztlich habe ich mich für Paris entschieden, weil ich den Lebens-Rhythmus der Stadt interessant fand, die Geschwindigkeit und Dynamik.

Ist es schwieriger, Figuren wie die Protagonistin Marie zu schreiben, die aus einem anderen Kulturkreis kommen als Sie?

Farhadi: Es war durchaus schwierig, mich in diese Frau hineinzufinden. Aber auch hochinteressant. Zunächst dachte ich, ich müsse erst einmal die Unterschiede zwischen iranischen und französischen Frauen herausfinden, um die berücksichtigen zu können. Das stellte sich aber schnell als falscher Ansatz heraus. Es war viel wichtiger, dass ich die Ähnlichkeiten fand. Und siehe da: Die waren groß. Wobei ich hier natürlich nicht vom Lebensstil, sondern vom Innenleben, von den Gefühlen spreche. Die Liebe ist überall gleich, auch wenn sie im Iran vielleicht anders gezeigt wird als in Europa.

Wie kamen Sie auf Bérénice Bejo als Hauptdarstellerin?

Farhadi: Als wir uns kennenlernten, fiel mir sofort ihre Intelligenz auf, was mir bei meinen Schauspielern immer das Wichtigste ist. Außerdem gefällt mir, dass sie auf den ersten Blick eine sehr positive, warme Energie überträgt.

Was hilft eher: mit der Vergangenheit abschließen oder sich ihr immer wieder stellen?

Farhadi: Genau das ist die Grundthematik des Films. Ist es im Leben wichtiger, nach vorne oder zurück zu blicken? Wunden vernarben lassen oder konstant offen halten? Kann man das überhaupt: vergessen? Oder ist das nicht bloß eine Flucht? Ich weiß gar nicht, ob es darauf abschließende Antworten gibt. Und falls doch, muss sie jeder selbst finden.

Auch in dieser Hinsicht machen sicherlich kulturelle Unterschiede viel aus. Sie haben zum Beispiel mal gesagt, dass es sehr iranisch sei, Dinge nicht direkt anzusprechen...

Farhadi: Tatsächlich könnte man sagen, dass unsere Sprache eine indirekte ist. Wir versuchen immer, unsere Emotionen in Metaphern und Redewendungen zu verpacken. Das gilt für die Poesie genauso wie für den Alltag. Die ungefilterte Wahrheit dagegen kommt uns schwer über die Lippen. Ich empfinde das allerdings kein bisschen als Schwäche unserer Kultur, sondern als Zeichen dafür, dass wir stets besonders nett sein wollen.

"Le passé - Das Vergangene" startet morgen in der Camera Zwo (Sb). Kritiken zu diesem und weiteren Filmen morgen in der Beilage treff.region.

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