Merkel stellt sich hinter Juncker

Brüssel · Tagelang hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurückgehalten und sich nicht für Jean-Claude Juncker als EU-Präsidenten ausgesprochen. Nun hat sie sich entschieden: Juncker soll ihre Rückendeckung haben.

Drei Tage lang musste Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrem mitternächtlichen Auftritt am Ende des EU-Gipfels in Brüssel schwere Vorwürfe über sich ergehen lassen. Am Freitag zog sie Konsequenzen und stellte sich eindeutig hinter Jean-Claude Juncker als Chef der neuen Brüsseler Kommission. Als sie auf dem Katholikentag in Regensburg auf ihre Äußerungen in Brüssel, mit denen sie sich von dem siegreichen Spitzenkandidaten der Konservativen distanziert hatte, angesprochen wurde, sagte sie: "Deshalb führe ich jetzt alle Gespräche genau in diesem Geiste, dass Jean-Claude Juncker auch Präsident der Europäischen Kommission werden sollte." Die Klarstellung kommt einem Rückzug vom Rückzug gleich. Nicht nur die deutschen Sozialdemokraten hatten seit Mittwoch von massivem Wahlbetrug gesprochen. Auch aus den eigenen Reihen und dem Europäischen Parlament war Juncker gegen den Versuch in Schutz genommen worden, eventuell doch noch ausgetauscht zu werden. So warnte der bisherige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses in der europäischen Volksvertretung, Elmar Brok (CDU), die Staats- und Regierungschef, den Wählerwillen zu "missachten". Zwar muss Juncker nun erst noch eine Mehrheit im Straßburger Parlament hinter sich bekommen und auch im Kreis der Staats- und Regierungschefs eine qualifizierte Mehrheit erreichen. Dies aber scheint inzwischen tatsächlich immer wahrscheinlicher, nachdem in letzten Tagen auch sozialdemokratische Regierungschefs wie beispielsweise der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann offen für Juncker Partei ergriffen hatten. Dennoch hieß es am Freitag, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wolle in den kommenden Wochen "alles versuchen", damit der EU-Gipfel Ende Juni eine "größtmögliche Mehrheit, wenn möglich Einstimmigkeit" für einen Kandidaten herstelle. Das dürfte jedoch nicht einfach werden.

Am Dienstag hatten die Regierungschefs aus Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Ungarn unmissverständlich angekündigt, Juncker nicht unterstützen zu wollen. Van Rompuy soll das Problem in den kommenden Wochen lösen und einen Kompromiss vorlegen. Erwartet wird, dass der Belgier ein Paket für alle neu besetzenden Top-Jobs schnürt, das jede der großen Parteienfamilien berücksichtigt.

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