Lob für das deutsche Rentensystem

Berlin · Die Rente bliebt in Deutschland längerfristig wohl bezahlbar. Aber eine neue OECD-Studie zeigt auch: Rentner haben hierzulande ein höheres Armutsrisiko als zum Beispiel in Frankreich oder Dänemark.

Trotz der seit 2012 geltenden Anhebung des Renteneintrittsalters gehen die Bundesbürger immer noch früher in den Ruhestand als im Durchschnitt der entwickelten Industriestaaten. Das geht aus einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Zustand der Rentensysteme in den 34 Mitgliedsländern hervor, der gestern in Berlin vorgestellt wurde. Wer 2015 in Deutschland erstmals seine Regelaltersrente beziehen will, muss 65 Jahre und vier Monate alt sein. Tatsächlich gehen die Älteren aber im Schnitt mit 62,7 Jahren in den Ruhestand. Damit sind sie rund ein halbes Jahr jünger als die Rentner in allen 34 OECD-Staaten.

Da die durchschnittliche Lebenserwartung bei 85,5 Jahren liegt, können deutsche Ruheständler ihre Rente demnach knapp 23 Jahre lang genießen. Das ist im Vergleich ordentlich. Die Japaner zum Beispiel gehen erst mit 67,6 Jahren in Rente, die ihnen dann noch knapp 22 Jahre lang zugute kommt. Gemessen an den Franzosen sind die Deutschen jedoch stark im Hintertreffen. Durch umfangreiche Frühverrentungsregeln verabschieden sich unsere Nachbarn schon mit 59,8 Jahren aus dem Arbeitsleben. Und weil die Franzosen noch älter werden als die Deutschen, können sie im Schnitt sogar 27 Jahre lang von ihrer Rente profitieren.

Was für den Einzelnen sehr erfreulich klingt, hat jedoch seinen Preis. "Es muss ja bezahlt werden", meinte die OECD-Sozialexpertin Monika Queisser. Und da könnte Frankreich noch große Probleme bekommen. Der Anteil der Rentenausgaben gemessen am Bruttosozialprodukt liegt dort schon jetzt bei rund 15 Prozent. Nur in Italien und Griechenland sind die Ruheständler noch "teurer". Dagegen verzeichnet Deutschland einen Anteil von zehn Prozent. Und nach der Hochrechnung der OECD wird er sich bis 2060 nur moderat auf 12,7 Prozent erhöhen.

Deshalb bekommt Berlin auch gute Noten. "Deutschland hat durch zahlreiche Reformen sein Rentensystem finanziell nachhaltig stabilisiert", lobte Queisser. Das freilich hängt nicht nur mit der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 bis zum Jahr 2029 zusammen. Parallel dazu ist auch das Rentenniveau, also die Rente im Verhältnis zu den aktuellen Löhnen im Sinkflug. Derzeit sind es noch 47,5 Prozent. 2030 dürfte das Rentenniveau laut Gesetz bei etwa 43 Prozent liegen - womit zwangsläufig die Frage der Altersarmut ins Spiel kommt.

Nach Einschätzung der OECD-Experten ist die Lage derzeit noch wenig problematisch. Nur etwa jeder zehnte Rentnerhaushalt in Deutschland verfügt gegenwärtig über ein Einkommen, das weniger als halb so hoch ist wie der Durchschnittsverdienst. In der OECD-Statistik liegt Deutschland damit allerdings nur im Mittelfeld. Die Niederlande, aber auch Frankreich und Dänemark verzeichnen ein deutlich niedrigeres Armutsrisiko.Der Sozialbeirat der Bundesregierung hält die Renten in Ostdeutschland in einer neuen Studie für ungerechtfertigt hoch. Ursache ist nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung eine Sonderregelung, die nach der Wiedervereinigung eingeführt wurde. Danach erwerben Beschäftigte im Osten bei gleichem Lohn und gleichem Rentenbeitrag höhere Rentenansprüche als im Westen. Im Schnitt führe das zu einem Unterschied von 140 Euro pro Monat.

Meinung:

System mit Macken

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Was das Rentensystem in Deutschland angeht, so hat die Politik ihre Hausaufgaben vergleichsweise gut gemacht. Natürlich kann die Rente immer höher sein, aber sie darf auch jene nicht überfordern, die die Altersbezüge mit ihren Beiträgen aktuell erarbeiten. Es braucht also eine gewisse Balance. Im Grundsatz funktioniert das in Deutschland. Vor dem Hintergrund der schleichend wachsenden Altersarmut gibt es allerdings Handlungsbedarf, den die große Koalition mit ihrer jüngsten Rentenreform leider ignoriert hat. Anstatt die Erwerbsminderungsrenten deutlich zu erhöhen, kreierte sie die abschlagsfreie Rente mit 63, welche in aller Regel denen zugute kommt, die auch ohne diese Maßnahme ein auskömmliches Leben im Alter gehabt hätten. Das ist zweifellos eine Schieflage.

Zum Thema:

HintergrundRentner müssen auch in Zukunft Einkommenssteuer auf ihre Altersbezüge zahlen: Die 2004 beschlossene Rentenbesteuerung ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Demnach verstoßen die Regelungen, die bis 2040 eine schrittweise ansteigende Besteuerung der Altersbezüge vorsehen, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Rentensteuer betrifft eine kleine, aber jährlich wachsende Gruppe Ruheständler . dpa

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