Länder rechnen mit mehr Asylbewerbern

Berlin · Die Zahl der Asylbewerber ist zuletzt stark gestiegen. Wie viele werden in diesem Jahr kommen? Die Länder glauben nicht, dass es nur 300 000 sein werden, wie vom Bund prognostiziert. Sie fordern verlässliche Zahlen, an denen sie ihre Planungen ausrichten können.

Die Bundesländer rechnen zum Teil mit deutlich höheren Asylbewerberzahlen als bisher offiziell angenommen und verlangen vom Bund, die Prognosen anzuheben. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geht bislang für dieses Jahr von rund 300 000 Asylanträgen aus - nach 202 000 im vergangenen Jahr. "Aufgrund unserer Erfahrung wird die Zahl in diesem Jahr wohl angesichts der weltweiten Krisen deutlicher steigen", sagte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD ) der "Welt am Sonntag ". Im Januar und Februar gingen bundesweit bereits fast 52 000 Asylanträge ein.

Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt hatte bereits vor wenigen Tagen eine konkrete Prognose genannt: "Wenn wir unsere Zahlen hochrechnen, müssen wir 2015 in Deutschland mit 500 000 bis 550 000 neuen Asylbewerbern rechnen und nicht nur mit 300 000." Er erwarte vom Bund eine Prognose, an denen sich Länder und Kommunen in ihren Planungen tatsächlich orientieren können. "Wir dürfen nicht die Augen vor der Realität verschließen. Eine Vogel-Strauß-Politik hilft uns nicht weiter", sagte Studt.

Mehr Geld gefordert

Die Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Brandenburg haben sich einem Bericht der Zeitung "Welt am Sonntag " zufolge auf Arbeitsebene beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für eine Anhebung der Prognose ausgesprochen. Das Amt lehnt eine Korrektur derzeit aber ab. Man halte eine Anpassung für das laufende Jahr für verfrüht, erklärte die Behörde. Die Entwicklung der Asylantragszahlen werde jedoch sehr genau beobachtet. Eine Korrektur im weiteren Verlauf des Jahres sei daher "durchaus möglich".

Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen forderte die Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD ) vom Bund mehr Geld: "Die Länder und Kommunen sind bei der Unterbringung der Flüchtlinge sehr gefordert und gerade die Kommunen stoßen teils an die Grenzen des finanziell Leistbaren." 500 Millionen Euro, die der Bund jeweils für 2015 und 2016 zugesagt habe, reichten bei Weitem nicht aus. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD ) sieht die Asyl- und Flüchtlingspolitik als wichtigsten Tagesordnungspunkt auf der für Donnerstag anberaumten Ministerpräsidentenkonferenz. "Wir haben es mit einer gesamtstaatlichen Herausforderung zu tun", sagte er.

Meinung:

Der Bund muss nachlegen

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Angesichts der vielen Krisen weltweit verwundert es nicht, dass mehr Flüchtlinge als erwartet Asyl suchen. Ob berechtigt oder nicht, müssen die Behörden prüfen. Womit ein Problem bereits benannt ist: Das ist die Dauer der Verfahren. Seit Jahren diskutiert die Politik darüber und verspricht eine Beschleunigung. Doch dem politischen Gerede sind bisher zu wenig erkennbare Taten gefolgt. Das andere große Problem findet sich in den Kommunen. Schon lange wissen viele nicht mehr, wie sie die Schutzbedürftigen menschenwürdig unterbringen sollen. Vom Krieg in die Turnhalle - und das über Wochen. Ein Armutszeugnis für das reiche Deutschland. Der Bund wäre daher gut beraten, zur Bewältigung des Andrangs finanziell nachzulegen - und zwar dauerhaft. Denn ein Ende der Krisen ist nicht in Sicht. Eher kommen weitere hinzu.

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