Kulturkampf um Krawatten im Bundestag

Berlin. Sven-Christian Kindler ist empört. Eigentlich hätte er gestern im Bundestag neben dem Präsidenten als Schriftführer Platz nehmen sollen. Doch ebenso wie Andrej Hunko von den Linken durfte der Grünen-Abgeordnete nicht - weil er sich weigerte, dafür extra eine Krawatte umzubinden

 Die Linke Agnes Alpers trägt aus Ironie eine Krawatte. Foto: dpa

Die Linke Agnes Alpers trägt aus Ironie eine Krawatte. Foto: dpa

Berlin. Sven-Christian Kindler ist empört. Eigentlich hätte er gestern im Bundestag neben dem Präsidenten als Schriftführer Platz nehmen sollen. Doch ebenso wie Andrej Hunko von den Linken durfte der Grünen-Abgeordnete nicht - weil er sich weigerte, dafür extra eine Krawatte umzubinden. "Ich werde als offiziell ernannter Schriftführer an meiner Arbeit gehindert", erregt sich Kindler. Danach eskalierte der parlamentarische Kulturkampf um die Krawatte.

Losgetreten hatte die Posse der CDU-Parlamentarier Jens Koeppen als Obmann der Schriftführer im Dezember. In einem Brief an seine Kollegen stand der klare Hinweis, künftig auf jeden Fall "neben dem Sakko auch eine Krawatte oder dem Entsprechendes" umzulegen. Die überzeugten Schlips-Boykotteure konnte der Elektromeister nicht überzeugen. Weißes Hemd und Jackett reichen, entschied Kindler für sich die Stilfrage. "Es ist sehr fragwürdig, ob so manche Blümchenkrawatte von Koalitionsabgeordneten die Würde des Hauses hebt."

Doch auch das Pro-Krawatten-Lager zeigte sich unnachgiebig. Die beiden Abgeordneten wurden kurzfristig für den Einsatz auf dem Podest des Plenarsaals gestrichen - "ohne Begründung", empörte sich Hunko. Sein Fraktionskollege Alexander Süßmair zeigte sich solidarisch und erschien ebenfalls ohne Binder - prompt wurde auch er abgelöst. Dagegen hatte die Linke Agnes Alpers keine Probleme. Sie versuchte es mit Ironie und griff für ihren zweistündigen Auftritt auf dem Podium zu einer roten Krawatte. Für den FDP-Schriftführer Sebastian Körber ist klar: "Aus Respekt vor dem Hohen Hause gehört die Krawatte für einen Mann mit dazu." Auch der Ältestenrat schaffte nach einer turbulenten Aussprache keine Klärung.

 Die Linke Agnes Alpers trägt aus Ironie eine Krawatte. Foto: dpa

Die Linke Agnes Alpers trägt aus Ironie eine Krawatte. Foto: dpa

Der Kleiderkampf hat eine lange Geschichte. Legendär ist der Ärger, den die Rauschebärte und Wollpulliträger der Grünen nach ihrem Einzug 1983 in den Bundestag auslösten. Ein CSU-Politiker forderte schon damals die Änderung der Geschäftsordnung, damit "diese Typen" wenigstens "nicht ohne Krawatte im Parlament herumsitzen". dpa

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