"Keiner streikt um des Streiks willen"

Herr Bsirske, wie lange müssen die Bürger noch unter den Streiks im öffentlichen Dienst leiden? Bsirske: Die Warnstreiks sollen die Verständigungsbereitschaft unter den Tarifparteien fördern.Aber die Arbeitgeberseite sieht genau dadurch die Vertrauensbasis gefährdet. Bsirske: Das ist schon interessant

Herr Bsirske, wie lange müssen die Bürger noch unter den Streiks im öffentlichen Dienst leiden?

Bsirske: Die Warnstreiks sollen die Verständigungsbereitschaft unter den Tarifparteien fördern.

Aber die Arbeitgeberseite sieht genau dadurch die Vertrauensbasis gefährdet.

Bsirske: Das ist schon interessant. Wir haben zwei Verhandlungsrunden hinter uns, ohne dass sich irgendetwas bei den Arbeitgebern bewegt hat. Dort will man die Sache offenbar aussitzen. Ich befürchte, dass sich die Arbeitgeberseite gedanklich schon in Richtung Schlichtung verabschiedet hat, bevor die Verhandlungen richtig begonnen haben. Unsere Beschäftigten wollen das nicht einfach hinnehmen. Deshalb die Warnstreiks.

Der Arbeitskampf geht also munter weiter?

Bsirske: Während der neuen Verhandlungsrunde, die bis zum Freitag angesetzt ist, wird es keine Streiks geben. Danach sind wir schlauer. Niemand streikt um des Streiks willen. Auch bei einer Schlichtung gilt die Friedenspflicht. Falls auch das am Ende scheitert, was sich keiner von uns wünscht, wäre eine Urabstimmung über Streiks fällig. Ich sage aber noch einmal: Wir wollen den Erfolg jetzt.

Was ist dafür ausschlaggebend?

Bsirske: Dass die Arbeitgeber endlich ein Angebot vorlegen. Bislang haben sie keinen Zweifel daran gelassen, die Preise nach unten zu treiben. Das war wenig einigungsorientiert.

Wie verträgt sich Ihre Fünf-Prozent-Forderung mit der katastrophalen Lage der öffentlichen Kassen?

Bsirske: Zweifellos ist die Finanzlage angespannt. Aber der Bund hat dieses Problem noch verschärft, indem er Hotelbesitzern, Erben und großen Unternehmen Steuergeschenke im Umfang von vier Milliarden Euro zukommen ließ. Andererseits sagt der Bund, unser Forderungsvolumen in ähnlicher Höhe sei maßlos. Das kann nicht überzeugen. Es ist ja richtig, Impulse für Wachstum zu setzen. Aber das gelingt mit spürbaren Lohnerhöhungen zur Ankurbelung des Binnenkonsums deutlich besser als mit Zuwendungen für ohnehin schon Privilegierte.

Die klammen Kommunen sind alles andere als privilegiert. Wie sollen die Ihre Forderung verkraften?

Bsirske: Die Perspektive für die Kommunen kann nicht in einer Kette von Lohn-Pausen oder gar Kürzungen bestehen. Vielmehr müssen die Städte und Gemeinden Front machen gegen die aberwitzigen Steuersenkungspläne der Bundesregierung. Zugleich ist eine grundlegende Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung erforderlich. Das bedeutet: Wenn der Bund den Kommunen Aufgaben überträgt, dann dürfen die Kommunen nicht auf den Kosten sitzen bleiben.

HINTERGRUND

Im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen haben die Gewerkschaften ihre Warnstreiks gestern mit Ausständen in Bayern und Berlin beendet. An den fünftägigen Warnstreiks hatten sich nach Verdi-Angaben bundesweit insgesamt gut 116 000 Angestellte beteiligt. Die Gewerkschaften fordern ein Gesamtpaket, das fünf Prozent Lohnzuschlag entspricht. Die Arbeitgeber unterbreiteten bislang kein Angebot. Der saarländische Verdi-Landeschef Alfred Staudt drohte mit "verschärften Streikmaßnahmen", falls die Arbeitgeber weiter auf Verzögerung und Verweigerung setzten. afp/kir

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