Karlspreisträger Schulz will das „Haus Europa“ öffnen

Aachen · Viele Bürger sehen die EU als „Bürokratiemonster“. Martin Schulz will Vertrauen für Europa zurückgewinnen. Sein Engagement wurde gestern in Aachen mit dem Karlspreis belohnt.

Für Martin Schulz ist die Europäische Union die größte zivilisatorische Errungenschaft des Kontinents seit der Aufklärung. 70 Jahre Frieden und Demokratie - und trotzdem diese Entfremdung vieler Menschen: "Für sie ist die EU das Brüsseler Raumschiff, das Bürokratiemonster", sagt Schulz am Donnerstag in seiner Dankesrede zur Auszeichnung mit dem Karlspreis . Die Menschen hätten Vertrauen in Europa verloren.

Was ist dagegen zu tun? Das "Haus Europa" müsse Fenster und Türen öffnen, damit die Leute sehen können, was darin passiert, sagt Schulz. Ein Schritt dahin war für ihn die Benennung von Spitzenkandidaten bei den Europawahlen 2014 für das Amt des Kommissionspräsidenten. Die Karlspreis-Jury wertete diesen von Schulz angestoßenen Prozess als Meilenstein für die Demokratisierung der EU - und verlieh ihm dafür den Karlspreis .

Der überzeugte Europäer beobachtet das wachsende Misstrauen gegenüber Europa, die Bestrebungen zur Renationalisierung, wie er es nennt, mit großem Unbehagen. In nationale Einzelteile zerlegt, werde Europa in Bedeutungslosigkeit versinken, und sei dann zu schwach, die Werte zu verteidigen, für die Menschen anderswo auf die Straße gingen. "Wer Hand an dieses Projekt legt, versündigt sich an der Zukunft der nachfolgenden Generationen", sagt Schulz. Die jetzige Generation müsse dafür sorgen, dass das "großartige Haus" Europa den Kindern nicht als Ruine hinterlassen werde. Europa habe keine automatische Garantie auf Ewigkeit.

Bundespräsident Joachim Gauck sieht das genauso. Die Krise im europäischen Einigungsprozess sei nicht allein durch die Entschlossenheit politischer Eliten zu überwinden. "Zum ersten Mal sind alle Bürger der Union gefordert, für das gemeinsame Europa zu streiten und zu kämpfen", sagt Gauck im Krönungssaal des Aachener Rathauses. Die europäische Einigung sei kein "ewiges" Projekt - es sei denn, es werde Generation um Generation erneuert und bekräftigt.

Integrationskritischer Populismus sei nicht nur eine Folge der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Wurzeln dafür lägen sehr viel tiefer, sagt Gauck: "Der Kern des Unbehagens war und bleibt die Frage, wie weit die Bevölkerung der einzelnen Staaten sich zu einer europäischen Identität bekennen will."

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