Interview Peter Bofinger: „Die Krise nicht herbeireden“

Berlin · Mit Italiens neuer Regierungspolitik drohe der Euro-Zone eine schwere Krise, warnen deutsche Politiker. Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sieht durchaus Möglichkeiten für eine Entspannung der Lage.

 Der Wirt­schaftsweise  Peter Bofinger

Der Wirt­schaftsweise Peter Bofinger

Foto: picture alliance / dpa/Michael Kappeler

Herr Bofinger, wie beurteilen Sie die politischen Signale aus Rom?

BOFINGER Man sollte die Krise nicht herbeireden. Aber klar ist, dass die neue italienische Regierung den Rest des Euro-Raums provoziert. Man könnte ja über dringend notwendige Investitionen in die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Italiens diskutieren und dafür womöglich auch neue Schulden in Kauf nehmen. Aber sich für Steuergeschenke an die Reichen zu verschulden, wie es die italienische Regierung vorhat, das geht völlig in die falsche Richtung.

Schon 2012 hatte EZB-Chef Mario Draghi versprochen, den Euro zu retten, „was immer es koste“. Muss sich ein Land wie Italien da nicht geradezu ermuntert fühlen, über seine Verhältnisse zu leben?

BOFINGER Man muss an den historischen Kontext der damaligen Aussage des Europäischen Zentralbank-Chefs erinnern. Italien konnte 2012 trotz der schlechten Wirtschaftslage die Drei-Prozent-Defizitgrenze des Vertrags von Maastricht einhalten. Und es handelte sich ja auch nicht um eine Garantie für alles, was in den einzelnen Euro-Ländern passiert. Zweifellos bedeutet die Mitgliedschaft im Euro, dass man sich an die Regeln halten muss. Das heißt nicht, einen jederzeit ausgeglichen Staatshaushalt zu haben. Hier sind durchaus Spielräume drin. Aber diese Flexibilität darf auch nicht überstrapaziert werden.

Für manche klingt es beunruhigend, dass in dieser Situation ausgerechnet ein Italiener oberster Währungshüter ist.

BOFINGER Das ist Unsinn. Die EZB hat eine verantwortungsvolle Politik gemacht, die sich konsequent am Ziel der Preisstabilität orientiert. Sie hat dabei zugleich dazu beigetragen, dass der Euro-Raum wirtschaftlich wieder ordentlich wächst und die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Wir haben davon ebenfalls profitiert. Noch nie gab es bei uns so viele Arbeitsplätze wie heute.

Die Kehrseite der EZB-Politik ist eine massive Entwertung privater Ersparnisse.

BOFINGER Ja, die Zinsen sind niedrig. Das gilt aber auch für die Inflationsrate. Schaut man sich die Zahlen genauer an, dann hat der deutsche Sparer auf seine Spareinlagen im Zeitraum von 1967 bis heute unter Berücksichtigung der Teuerungsrate einen durchschnittlichen Zins von null Prozent erzielt. Seit dem Amtsantritt von Draghi als EZB-Präsident vor sieben Jahren liegt der durchschnittliche Zins nach Abzug der Inflationsrate bei minus 0,4 Prozent. Der Unterschied ist also bei weitem nicht so gravierend, wie viele immer behaupten.

Zurück zu Italien. Hat die EU überhaupt ein Druckmittel, um die neue Regierung in Rom von ihrer Euro-feindlichen Politik abzubringen?

BOFINGER Es gibt natürlich Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit Strafzahlungen rechnen. Im Falle Italiens gab es dafür aber bislang noch keinen Grund, weil es die Regeln nicht überstrapaziert hat.

Italien könnte auch von selbst die Euro-Zone verlassen.

BOFINGER Das sollten wir uns nicht wünschen. Für Deutschland wäre ein Austritt Italiens aus der Euro-Zone problematisch, weil dann auch schnell andere Länder folgen könnten. Unsere Wirtschaft profitiert vom Euro so stark wie kaum eine andere in Europa. Da führt auch das Argument in die Irre, der deutsche Steuerzahler könne mit einer Abkehr Italiens vom Euro viel Geld sparen. Die Folge eines Euro-Crashs wären für Deutschland geringere Unternehmensgewinne, geringere Lohneinkommen und damit immense Steuerausfälle.

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