Wahlkampf-Manöver der SPD Wer von einer neuen Flüchtlingsdebatte profitieren könnte

Rom/Berlin · Wenn SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Donnerstag nach Italien fliegt, hat er vor allem ein Ziel: Die Flüchtlingskrise, über die vor Ort ganz laut und in Deutschland derzeit nur leise verhandelt wird, soll endlich auf die Agenda des Bundestags-Wahlkampfs. Nicht ungefährlich: Denn punkten will die SPD zwar gegen Angela Merkels Union. Aber profitieren könnte vor allem die AfD. Hier die wichtigsten Fakten zum Thema:

Wie angespannt ist die Lage in Italien derzeit wirklich?

Fast täglich werden Migranten im Mittelmeer gerettet und von Rettungsschiffen in italienische Häfen gebracht. Mehr als 93 300 Menschen erreichten so seit Jahresbeginn das Land, 2016 waren es noch um die 86 000 insgesamt. Hilfsorganisationen warnen, dass das nationale Aufnahmesystem über kurz oder lang überfordert sein wird. In Österreich und Deutschland befürchten manche einen neuen Ansturm wie 2015 über die Balkanroute.

Wie kommt die deutsche Flüchtlingspolitik in Italien an?

Die Bundesregierung versichert der Regierung in Rom stets, ihr zur Seite zu stehen. Für Italien ist Deutschland wohl immer noch der verlässlichste unter den EU-Partnern. Aber konkret kommt aus Sicht der Italiener viel zu wenig. Und das Innenministerium in Berlin lässt erkennen, dass es die Lage in Italien nicht ganz so dramatisch findet. 90 000 Flüchtlinge in einem halben Jahr, so viele habe Deutschland 2015 in einem Monat aufgenommen.

Was will SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nun erreichen?

Im Grunde spricht er nur das aus, was alle wissen: Die Flüchtlingskrise ist auch für Deutschland nicht vorbei, auch wenn die Bundesregierung an vielen Stellschrauben gedreht hat, um eine Situation wie 2015 nicht wieder zuzulassen. „Wenn wir jetzt nicht handeln, droht sich die Situation zu wiederholen“, sagt Schulz trotzdem. Er will damit vor allem Kanzlerin Angela Merkel der Untätigkeit überführen. EU-Ländern wie Polen oder Ungarn sollten seiner Ansicht nach finanzielle Mittel entzogen werden, wenn sie sich in Sachen Aufnahme von Flüchtlingen weiter verweigern. Deutschland aber habe genug geleistet. „Jetzt sind die anderen dran.“

Nimmt der Wahlkampf in Deutschland damit eine neue Wendung?

Wohl kaum. Für die SPD war immer klar, dass sie mit dem Thema Flüchtlinge in der großen Koalition kaum punkten kann. Freuen darf sich aber die AfD, deren Umfragewerte mit dem Abebben der Flüchtlingskrise deutlich zurückgingen. Auf deren Höhepunkt im Herbst 2015 hatte die Union Stimmen an die AfD verloren. Doch Merkel hat ihren Kurs längst geändert. Das wird sie, wenn nötig, auch wieder zeigen.

Welche Rolle spielt Österreich?

Aus Wien erreichen Italien immer wieder Drohungen, etwa zur Schließung des Brennerpasses. Denn auch Österreich wählt, am 15. Oktober. Vor allem Außenminister Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP versucht sich zu profilieren.

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