Gegen Asyl-Betrug Moderne Technik gegen falsche Flüchtlinge

Bamberg · Das Flüchtlings-Bundesamt setzt auf neue Mittel, um Betrug beim Asylverfahren zu verhindern. Das Ziel: Kein zweiter Fall Franco A.

Der Fall Franco A. führte die Probleme im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) schmerzlich vor Augen: Der mutmaßlich rechtsextreme, terrorverdächtige Bundeswehrsoldat schaffte es, sich als syrischer Flüchtling auszugeben. Er bekam sogar einen Schutzstatus – dabei sprach er nicht einmal Arabisch, sondern nur Französisch. Wie genau es dazu kommen konnte, ist noch nicht restlos geklärt. Das Bundesamt will aber alles dafür tun, damit sich so ein Fall nicht wiederholt. Dabei helfen sollen den Asylentscheidern künftig mehrere technische Assistenzsysteme.

Diese seien „das Modernste, was es zurzeit gibt“, sagte der IT-Chef des Bamf, Markus Richter, bei der Vorstellung gestern in Bamberg. Hier wurden die Computerprogramme in den vergangenen zwei Monaten im „Echteinsatz“ getestet. Von August an sollen sie innerhalb weniger Monate bundesweit eingeführt werden. Bei der Analyse von Handy-Daten muss aber noch der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens abgewartet werden.

Daneben gibt es IT-Systeme zur Analyse von Fotos, Schreibweisen von Namen sowie von Sprachen und Dialekten. Diese sollen künftig immer dann eingesetzt werden, wenn die Identität oder Herkunft eines Asylbewerbers nicht klar ist – etwa wenn er keinen Ausweis hat. Das ist bei etwa zwei Drittel der Flüchtlinge der Fall.

Mit einem weiteren System können Fotos anhand biometrischer Daten verglichen werden. Vor der Einführung des „Ankunftsnachweises“ – einer Art Flüchtlingsausweis – im vergangenen Jahr hatten es einige Asylbewerber geschafft, sich mehrfach registrieren zu lassen und auch mehrfach Sozialleistungen zu kassieren. Besonders wichtig ist der Vergleich der Fotos bei Gruppen, bei denen keine Fingerabdrücke genommen werden können – etwa bei Jugendlichen unter 14 Jahren.

Ein weiteres Programm soll sicherstellen, dass arabische Namen nach einheitlichen Standards in lateinische Schrift übertragen werden. Der Flüchtling gibt dafür seinen Namen selbst oder mit Hilfe eines Dolmetschers über eine arabische Tastatur ein und das System „übersetzt“ ihn. Auch hier gab es früher immer wieder Fehler. Der Berliner Attentäter Anis Amri etwa hatte mehr als ein Dutzend verschiedene Identitäten benutzt.

Anhand einer zweiminütigen Sprachprobe kann eine andere Software einem Asylbewerber eine Herkunftsregion zuordnen. „Das ist absolut neu und zukunftsweisend“, sagte Richter. „Sollte jemand einen Akzent imitieren, können wir trotzdem seine Herkunft bestimmen.“ Ein Sprachgutachten habe bisher zum Teil bis zu einem Jahr gedauert.

In freier Rede sollen die Asylbewerber für die Analyse etwa über ihre Hobbys oder ihre Lebensgeschichte sprechen. „So einfach, so präzise“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Sachsens Ressortchef Markus Ulbig (CDU), und zeigte sich beeindruckt. Das System soll die wissenschaftlichen Gutachten in strittigen Fällen jedoch nicht ersetzen. 2016 gab das Bamf rund 1400 davon in Auftrag.

Auch auf den Handys der Asylbewerber lassen sich mit der Software Daten auswerten – Geodaten von Fotos, benutzte Ländervorwahlen, die verwendete Sprache in Chats etwa. 70 Asylbewerber in Bamberg hätten für den Test ihre Handys freiwillig zur Verfügung gestellt, sagte Richter. „Der Zuspruch der Flüchtlinge war groß.“

Die Systeme könnten natürlich nie eine ordentliche Anhörung ersetzen, betonte Richter. Zumal sie mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten und es „Fehlerquellen“ gebe. In Kombination lieferten sie jedoch wichtige Hinweise. „Das Eis für diejenigen, die sich rechtswidrig verhalten, wird dünner“, sagte Ulbig. Wenn die Systeme flächendeckend eingeführt seien, erhoffe er sich von ihnen auch schnellere Asylverfahren.

Aktuell dauerten neue Verfahren im Schnitt 1,7 Monate, sagte Bamf-Chefin Jutta Cordt. Bei neuen und alten Verfahren insgesamt seien es 10,2 Monate. Der Berg der Altfälle habe sich auf etwa 140 000 reduziert. „Das ist bereits eine wesentliche Verbesserung.“

Ohne Franco A. explizit zu nennen, sagte Cordt, dieser Fall wäre nicht passiert, „wenn die Dialekt-Erkennung schon da gewesen wäre“. Das System hätte bemerkt, dass Französisch nicht die Muttersprache des Soldaten ist. Damit seien die neuen Assistenzsysteme „ein Element des Sicherheitskonzeptes“, welches das Bamf nach Bekanntwerden des Falles entwickelt habe.

Dass in den Akten des Bundesamts ein weiterer Fall Franco A. schlummere, schließt die Behördenchefin unterdessen kategorisch aus. Erst am Wochenende hatte Cordt erklärt, der Fall des terrorverdächtigen Oberleutnants sei einmalig gewesen. „Es gibt keine Hinweise auf einen zweiten Fall Franco A.“, hatte die Bamf-Präsidentin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe erklärt. Das habe die Überprüfung von 2000 Fällen ergeben.

Bei diesen Fällen hätten die Betroffenen in keiner Anhörung in einer landesuntypischen Sprache gesprochen. „Es gab also keinen weiteren Fall wie Franco A., der in der Anhörung kein Arabisch, sondern Deutsch und Französisch gesprochen hatte“, hatte Cordt erklärt.

Der Fall des 28-jährigen, rechtsextremen Franco A. hatte im Frühjahr hohe Wellen geschlagen. Gemeinsam mit zwei mutmaßlichen Komplizen soll der Oberleutnant vorgehabt haben, Anschläge auf hochrangige Politiker und andere Persönlichkeiten zu begehen. Dafür hatten sie sich unter anderem eine Schusswaffe beschafft und diese auf dem Flughafen Wien versteckt. Die Tat wollten sie den Ermittlungen zufolge als Terrorakt eines radikalen Islamisten erscheinen lassen – daher die falsche Identität (Chronologie des Falls siehe Infobox)

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