Studie zu Populismus Jeder Dritte denkt populistisch

Die meisten Deutschen sind für Populisten nicht empfänglich. Doch Kritiker zweifeln.

 AfD-Anhänger (hier eine Kundgebung in Bayern 2015) denken eindeutig rechtspopulistisch – so ein Ergebnis der Bertelsmann-Studie.

AfD-Anhänger (hier eine Kundgebung in Bayern 2015) denken eindeutig rechtspopulistisch – so ein Ergebnis der Bertelsmann-Studie.

Foto: dpa/Aktivnews

Gütersloh (dpa) Fast ein Drittel der wahlberechtigten Deutschen vertritt nach einer Studie populistische Ansichten. Diese fallen aber eher moderat und nicht radikal aus, wie es in der gestern veröffentlichten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung heißt. „Sie lehnen die Institutionen der Demokratie oder der EU nicht grundsätzlich ab, sondern kritisieren ihr Funktionieren“, schrieben die Autoren in ihrem Fazit. Außerdem seien populistische Positionen für die große Mehrheit aller Wahlberechtigten nicht wahlentscheidend.

„Von einer „Stunde der Populisten“ ist das politische Klima vor der Bundestagswahl weit entfernt“, sagte Robert Vehrkamp, Demokratieexperte der Bertelsmann Stiftung. Er hatte die Studie zusammen mit Christopher Wratil von der Universität Köln geschrieben. Die Befragten sollten bei acht Aussagen angeben, inwieweit sie diesen zustimmten. Es ging um Fragen wie diese: „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht.“ Mit weniger als 20 Prozent sind unter den CDU-Anhängern der Studie zufolge die wenigsten Populisten. Die Wählerschaft der AfD dagegen ist demnach eindeutig rechtspopulistisch, die SPD in beiden Lagern etwa gleich stark vertreten.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, machte vor allem der guten wirtschaftliche Lage dafür verantwortlich, dass populistische Politiker und Parteien in Deutschland derzeit wenig Zulauf hätten. „Eine erneute Flüchtlingskrise oder eine wirtschaftliche Abschwächung würden dem Populismus schnell wieder Nahrung geben“, warnte Fratzscher im „Handelsblatt“.

Nach den Erkenntnissen der Stiftung gibt es beim Thema Populismus eine soziale Spaltung. Je geringer die Bildung und je niedriger das Einkommen ist, desto weiter verbreitet sind populistische Ansichten. Am stärksten trifft das auf die Gruppe mit Hauptschulabschluss und einem Monatseinkommen unterhalb von 1500 Euro zu.

„Populisten in Deutschland sind häufig enttäuschte Demokraten, aber keine radikalen Feinde der Demokratie. Im Vergleich zu den USA und Frankreich zeigt sich vor allem, dass in Deutschland die Kritik am politischen Establishment deutlich schwächer ausgeprägt ist“, sagte Studienautor Vehrkamp.

Radikale Positionen zögen beim Wähler nicht. Mehr als zwei Drittel der Wähler mit populistischen Einstellungen sind der Studie zufolge für die Mitgliedschaft in der EU, sogar 85 Prozent sind Demokratie-Unterstützer. Aber: Knapp 80 Prozent geht die Erweiterung der EU zu weit. Und etwas mehr als die Hälfte gibt an, die Demokratie funktioniere in Deutschland „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“.

Parteienforscher Professor Oliver Treib von der Uni Münster kritisierte die Studie. Er gehe von mehr als einem Drittel der Deutschen mit populistischen Ansichten aus. „Wir kommen aber leider an bestimmte Gruppen nicht heran. Menschen, die solche Einstellungen haben, nehmen an den Studien oft nicht teil“. Der Experte forderte die Parteien auf, den Dialog zu suchen: Sie müssten „offener werden für Leute, die jetzt als Nichtwähler populistische Ansichten vertreten.“

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