Im Kulturerbe haust ein Stadtindianer

Völklingen. Eigentlich geht es in der Völklinger Hütte meist eher ruhig zu, was menschliche Aktivitäten betrifft: Besucher schauen, staunen, schlendern. Arbeitende Menschen sind in dem Labyrinth kaum wahrzunehmen; die Bauarbeiter, die mit der Erhaltung des rostenden Riesen beschäftigt sind, bleiben im Hintergrund. Vom 10. bis 14. August war das anders

 Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg drehten in Kooperation mit Arte und dem Südwestrunfunk (SWR) den Kurzfilm "Rauchzeichen" im Weltkulturerbe in Völklingen. Darstellerin Antonia Tamara Pankow spielt in der Hauptrolle die Milli. Foto: Oliver Dietze

Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg drehten in Kooperation mit Arte und dem Südwestrunfunk (SWR) den Kurzfilm "Rauchzeichen" im Weltkulturerbe in Völklingen. Darstellerin Antonia Tamara Pankow spielt in der Hauptrolle die Milli. Foto: Oliver Dietze

Völklingen. Eigentlich geht es in der Völklinger Hütte meist eher ruhig zu, was menschliche Aktivitäten betrifft: Besucher schauen, staunen, schlendern. Arbeitende Menschen sind in dem Labyrinth kaum wahrzunehmen; die Bauarbeiter, die mit der Erhaltung des rostenden Riesen beschäftigt sind, bleiben im Hintergrund. Vom 10. bis 14. August war das anders. In einem Areal der Hütte, das für Besucher derzeit gesperrt ist, werkelten und wuselten über 30 Personen - in Jobs, die keine Bauhelme erfordern, und mit staubempfindlichem Hightech-Handwerkszeug. "Halb nah! Milli frontal! Milli läuft durch die Schlucht... Vor-weg-faaahrt!" und dann "Bild steht! Jetzt Kamera- und Tonprobe." Da hörte man schon von Weitem: Ein Film wird gedreht.Es wird ein Kurzfilm; die Akteure sind großenteils Absolventen des Ateliers Ludwigsburg-Paris, ein europäisches Weiterbildungsprogramm für Filmproduzenten und Verleiher an der Filmakademie Baden-Württemberg. Drei der sieben Schauspieler stammen aus dem Saarland, die Hälfte der Filmemacher-Crew ebenfalls. Milli, die Hauptfigur des Films, ist im richtigen Leben Antonia Tamara Pankow aus Leipzig, neun Jahre alt. Die junge Hübsche, abenteuerlich gekleidet wie eine Stadtindianerin, wirkt am ruhigsten von allen, während Aufnahmeleiter Daniel Omlor das Team permanent in Atem hält. X-mal werden die immer gleichen paar Filmsekunden gedreht: Milli/Antonia geht sinnend vor sich hin, schaut auf Signal (imitierter Adlerschrei) nach oben, schaut wieder nach unten. "Stopp!" Leider hat übers Wochenende irgendeine wohlmeinende Seele hier aufgeräumt und dabei auch Unkraut vom Weltkulturerbe weggerupft. Aber das war doch schon mal im Bild! Also müssen die Jungfilmer schnell noch selbst gepflückten Löwenzahn & Co. kunstvoll in Mauerritzen hineinstopfen. Wie wird wohl das spezifische Moos-Schimmel-Rost-Gemisch, das man hier auch deutlich riechen kann, im Film "visualisiert" wahrzunehmen sein? Bis Januar 2013 muss man darauf noch warten. Dann läuft der Kurzfilm "Rauchzeichen" auf Arte und beim SWR, und auch beim Max-Ophüls-Festival 2013 wird er gezeigt. "Hier ist ein fantastischer Drehort", sagt Produzentin Andrea Amenitsch. "Wir brauchten eine Kulisse, die die Einsamkeit eines vernachlässigten Kindes widerspiegelt, und die Raum für eine surreale Fantasiewelt bietet, in die sich dieses Kind hineinrettet. Da dachten wir erst einmal an Industrieanlagen im Ruhrgebiet. Aber allein die Fahrtkosten ab Ludwigsburg hätten unser Budget gesprengt. Wir sind sehr glücklich, hier in der Völklinger Hütte drehen zu können. Und günstig untergebracht hat man uns auch." Andrea Amenitsch aus Österreich, ihre Mitproduzentin Anita Draghici aus Rumänien, der Frankfurter Regisseur Gabriel Borgetto und die anderen "Rauchzeichen"-Macher aus diversen EU-Staaten nehmen erfreuliche Erfahrungen aus dem Saarland und insbesondere aus der Völklinger Hütte mit. "Die Leute sind so freundlich. Von Seiten der Hütte sind wir in allen Fragen unterstützt worden, das sind einfach offene Personen. Zwischenmenschlich und auch für die filmtechnischen Erfordernisse", strahlt die Österreicherin Amenitsch. "Ich vergleiche das auch mit anderen Drehorten: Da ist es oft so, dass die Leute abwinken, 'Ach, die vom Film'." Die junge Antonia, die schon mit vier Jahren Filmerfahrung gemacht hat, findet die rostige Kulisse Weltkulturerbe: "cool! In den Pausen kann man hier ganz toll rumstöbern." Zumal dabei ihr Schauspielcoach, die Saarländerin Petra Lamy, gern mitgestöbert hat.

Hintergrund

Die Produktion des Kurzfilms "Rauchzeichen" in der Völklinger Hütte verbucht der Projektmanager und Aufnahmeleiter Daniel Omlor (St. Ingbert) als ersten, aber Signal setzenden Erfolg des sogenannten "Production Guide". Wie kommen Filmemacher auf die Idee, im Saarland zu drehen, wenn sie sich hier nicht auskennen? Wo finden Ortsfremde die besten Orte, die notwendigen Equipments und kompetente Fachkräfte? Der Production Guide setzt genau hier an. Das ist eine im Internet zugängliche Datenbank, die Filmschaffenden "einen schnellen und umfassenden Überblick über die produktionsbezogene Infrastruktur in der Großregion" verspricht - kurz: ein "Wegweiser für die Filmbranche" sein will. "Ob Ausstatter, Beleuchter, Castingspezialisten & Co., oder geeignete Filmstudios, Miet-Equipment, Catering, Schauspieler, Komparsen oder Unterkünfte für die komplette Crew - beim Production Guide werden sie fündig," heißt es dort. "Ein ganzes Universum europäischer Drehorte" möchte gar der integrierte "Location Guide" bieten. Vielversprechend. Eine exemplarische Suche in der eigentlichen Datenbank führt allerdings bislang nicht immer sehr weit, sie ist noch im Aufbau. Doch ergänzend fungieren die Projektpartner im Saarland, in der Eifel, in Lothringen, Luxemburg und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens als direkte Ansprechpartner. mlg

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