Häftling nackt in Zelle - Schadenersatz

Straßburg

Straßburg. Einen Inhaftierten ohne spezielle Gründe sieben Tage lang nackt in einer Sicherheitszelle eines Gefängnisses einzusperren, verstößt gegen die Menschenrechte: In einem gestern verkündeten Urteil befand der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof, dass ein solcher Vorfall in Deutschland gegen das in der Menschenrechtscharta des Europarats verankerte Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung verstößt: Der "Entzug von Kleidung" könne bei einem Häftling "Gefühle der Angst und Minderwertigkeit" auslösen, die dazu angetan seien, den Betreffenden zu erniedrigen, heißt es in der Entscheidung. In der Bundesrepublik war der Mann mit Klagen gegen seine Behandlung in allen Instanzen bis zum Verfassungsgericht gescheitert. Jetzt wurden ihm 10 000 Euro Schadenersatz zugesprochen (Aktenzeichen: 20999/05).In der hessischen Vollzugsanstalt Butzbach war der Kläger als Gefangener in einem acht Quadratmeter großen, besonders gesicherten Haftraum untergebracht worden, nachdem er sich geweigert hatte, in eine Gemeinschaftszelle umzuziehen, in der die Toilette weder durch eine Wand noch durch einen Vorhang vom Rest des Zimmers abgetrennt war. Im Verlauf eines Streits zwischen dem Betroffenen und Gefängnispersonal war es auch zu einem Handgemenge gekommen.

Keine Einwände erhoben die Europarats-Richter gegen das Einsperren des Mannes in einer Sicherheitszelle wegen der besonderen Umständen dieses Falls für die lange Dauer von sieben Tage. Vor dem Gerichtshof hatte die deutsche Regierung geltend gemacht, Häftlinge würden in solchen Zellen grundsätzlich unbekleidet untergebracht, um sie vor "Selbstverletzungen" zu schützen, solange ihr psychischer Zustand dies befürchten lasse. Die Straßburger Instanz meinte, es stehe nicht eindeutig fest, ob bei dem Gefangenen tatsächlich eine "ernsthafte Selbstverletzungs- oder Selbstmordgefahr" existiert habe. Auch hätten die Verantwortlichen der Haftanstalt nicht den Einsatz alternativer Maßnahmen wie reißfeste Kleidung geprüft, die weniger stark in die Privatsphäre des Betroffenen eingegriffen hätten.

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